30. Juni 2005 | Wettkampfsport | von Regattaverein Luzern

Weltcupfinal der Ruderer in Luzern

Auf dem Rotsee bei Luzern trifft sich vom 8. bis 10. Juli die Weltelite des Rudersports. Athletinnen und Athleten aus 42 Nationen kämpfen um Weltcup-Punkte und um den prestigeträchtigen Sieg auf dem „Göttersee“. Erstmals wird für den Gewinnerinnen und Gewinnern des Gesamt-Weltcups ein Preisgeld ausbezahlt.


Einmal mehr wird die Ruderwelt Luzern ihrem Ruf gerecht: Zu den Finalrennen im BearingPoint Rowing Worldcup kommen die besten Ruderinnen und Ruderer an den Rotsee. Über 700 Athletinnen und Athleten aus 42 Nationen starten in 280 Booten. Das ist das beste Meldeergebnis der Weltcup-Serie 2005. Quantitativ liegt die Beteiligung leicht unter den Ruderwelt-Zahlen vor den olympischen Spiele von Athen. Namentlich einige nordamerikanische Teams fehlen auf der Liste. Das lässt sich aus der Tatsache erklären, dass die Weltmeisterschaften in Japan die Budgets der Ruderverbände stark belasten. Konkurrenziert wird der Weltcupfinal in Luzern dieses Jahr auch durch die Mittelmeerspiele. Trotzdem sind die starken Ruderverbände der Mittelmeeranrainer in Luzern mit guten Booten vertreten.
Die nacholympische Saison ist in der internationalen Ruderszene durch Umbauten in den Grossbooten und durch zum Teil ausgeprägte Experimentierfreude erfolgreicher Cracks geprägt.

Umsteiger im Einer
Im Männer-Einer kommt es auf dem Rotsee zum entscheidenden Duell zwischen Weltcupleader Marcel Hacker aus Deutschland und dem nur um einen Punkt zurückliegenden Ondrej Synek aus Tschechien. Die beiden haben je einen Weltcup-Sieg im aktuellen Palmares. Synek gewann in Eton, Hacker in München. Dort schob sich der Neuseeländer Mahe Drysdale zwischen die Europäer. Damit wird – abgesehen von Marcel Hacker – der Einer in der nacholympischen Saison von Neueinsteigern in der Bootsklasse der Individualisten geprägt. Synek kommt aus dem Doppelzweier, in dem er im olympischen Final auf den fünften Platz fuhr. Drysdale ruderte im neuseeländischen Vierer-ohne und kam in Athen ebenfalls auf Rang fünf. Den Neueinsteigern konnte bis jetzt nur Marcel Hacker Paroli bieten. Olympiasieger Olaf Tufte aus Norwegen musste sich in dieser Saison mit für ihn ungewohnten Klassierungen im Mittelfeld begnügen. Aus diesem Mittelfeld möchte sich auf dem Rotsee vor den eigenen Fans André Vonarburg lösen. Sein Saisonziel ist ein Podestplatz an einer Weltcupregatta. In Luzern ist die letzte Gelegenheit. Aus der Einerszene haben sich dieses Jahr gleich zwei Olympiamedaillengewinner verabschiedet: Silberskiffier Juri Jaanson sitzt im estischen Doppelvierer, Bronceruderer Ivo Ynakiev rudert mit seinem Bruder im bulgarischen Doppelzweier. Und Iztok Cop, der Slowene, scheint sich noch nicht entschieden zu haben – zum Weltcupfinale ist er im Einer und im Doppelzweier gemeldet.
Im Frauen-Einer ist die Ausgangslager klar. 2005 verspricht die Saison der Olympiasiegerin von 2000, Ekatarina Karsten zu werden. Sie kommt mit einer makellosen Saisonbilanz nach Luzern: Siege in Essen, Eton, München und Amsterdam machen sie zur haushohen Favoritin für den Weltcup-Final. Ihr sind ganz offensichtlich die Gegnerinnen abhanden gekommen: Katrin Rutschow-Stomporowski, die Siegerin von Athen, ist zurückgetreten, und Rumyana Neikova, die Olympiadritte und Weltmeisterin 2002 und 2003 sitzt im bulgarischen Doppelzweier.

Zweier-ohne: Bahn frei für alte Bekannte
Im Riemenzweier sind die legendären Olympiasieger und Weltmeister Ginn-Tomkins aus Australien nicht mehr am Start. Damit ist die Bahn frei für andere alte Bekannt: Die Gebrüder Skelin aus Kroatien, Silberpaar aus Athen, starten als Weltcupleader in Luzern. Doch in München wurden sie von den Olympiavierten, den Neuseeländern Twaddle und Bridgwater geschockt. Ein Wort mitreden beim Rennen um den Rotseesieg möchten aber auch die Gebrüder West aus Grossbritannien. Mit einem Sieg und einem Ausrutscher der Skelins in Luzern liegt sowohl für die Neuseeländer wie für die Briten das Kategorien-Preisgeld noch drin.

Doppelzweier: Ein Leckerbissen
Im Doppelzweier der Männer herrscht ein gewaltiges Gedränge. Mit 24 Booten ist das Meldeergebnis ungewöhnlich gross. Und mit 14 Crews holten soviele Boote wie in keiner andern Klasse Weltcuppunkte. Die Spitze ist breit und nahe beieinander: Deutschland und Russland je acht, Italien und Norwegen je sechs, Rumänien und Ukraine je fünf und Ungarn und die Schweiz je vier Punkte. Für Florian Stofer und Olivier Gremaud schlägt auf dem Rotsee die Stunde der Wahrheit. Bis jetzt hatten sie sehr unterschiedliche, schwer einzuschätzende Gegner. Und ihre Resultate bescherten ihnen eine Fahrt auf der Gemütsachterbahn – Enttäuschung in Essen, vierter Rang ganz nah beim Podest in Eton, kein Finalplatz in München. Inzwischen und angesichts des Meldeergebnisses von Luzern weiss man aber, dass die Szene im Doppelzweier völlig neu sortiert wird. Erst auf dem Rotsee wird sich die neue Hierarchie herausbilden. Vorne dabei werden wohl die Deutschen Schreiber-Burmeister, wohl auch die Yanakiev-Brüder, die Italiener Stefanini und Sartori und die Norweger Simonsen-Adamsen sein. Ihren Weltcup-Einstand gib in Luzern der zweiten Schweizer Doppelzweier mit dem Luzerner Roman Ottiger und dem Wädenswiler Reto Niedermann. Und dann ist da noch das slowenische Rätsel: Iztok Cop und Luka Spik, die Olympiasieger 2000 und Olympiazweiten 2004 sind gemeldet, aber offen ist, ob Cop seine Chance nicht doch eher wieder im Einer sucht. Im Frauen-Doppel ist die Situation vergleichsweise klar: Die Zwillingsschwestern Giorgina und Carolina Evers-Swindell aus Neuseeland haben sich auf ihrer Europatournee bis jetzt im Einer vergnügt. Auf dem Rotsee starten sie erstmals wieder im Zweier – und da war den Weltmeisterinnen und Olympiasiegerinnen in den letzten Jahren niemand gewachsen.
In den leichten Doppelzweiern kommt es bei den Frauen und Männern zur Parade der neuen Crews. Die Felder sind sehr ausgeglichen, bei den Männern können sich noch sechs Paare Trikot und Preisgeld für den Weltcupsieg holen.

Vierer: Alles neu und in Bewegung
International erfolgreiche Vierer werden in der Regel über Jahre aufgebaut. Naturgemäss ist dann jeweils nach olympischen Spielen der grosse Umbau im Gang. Auf dem Rotsee sind die neuen Crews zu sehen – und im Skullvierer (Doppelvierer) die wenigen, die auch die neue Olympiade in unveränderter Besetzung in Angriff nehmen. Das sind die Olympiadritten aus der Ukraine und die Olympiasechsten aus Weissrussland. Doch leicht favorisiert sind für den Weltcupfinal die Leader aus Tschechien. Sie haben einen neuen Vierer gebaut – und dort hat Vaclav Chalupa, der alte Einer-Kämpfer, Unterschlupf gefunden. Ebenfalls ins Mannschaftsboot hat auf seine „alten Tage“ Juri Jaanson gewechselt, und auch der estische Vierer ist schnell unterwegs. Auch im Riemenvierer ist nur noch ein prominentes Boot aus der Olympiasaison zu erkennen: Neuseeland, fünfte in Athen, kommt mit fast unveränderter Besatzung. Die Kanadier haben nach der Enttäuschung von Athen („nur“ Silber) eine neue Crew mit Achter-Leuten gebaut. Auch die Holländer sind aus dem Silber-Achter in den eleganten Vierer-ohne umgestiegen. Doch als Weltcupleader kommen die Briten nach Luzern – eine völlig neue Crew scheint in die grossen Fussstapfen der Redgrave- und Pinsent-Crews zu passen. Auf dem Rotsee stellen sich erstmals auch die jungen Schweizer der Luzern-Zürich-Baden-Rennemeinschaft vor. Die Mannschaft verdient Kredit – und die Unterstützung ihrer Fans. Dass die Crew kämpfen kann, hat sie bewiesen. Auf dem Rotsee kann sie die Tickets für die Weltmeisterschaft in Japan lösen – und die Perspektive Olympia 2008 konkretisieren. Im Frauen-Skullvierer haben die Britinnen die unangefochtene Leaderstellung: sie kommen mit dem Punktemaximum und entsprechend offener Hand fürs Preisgeld an den Rotsee.

Achter: Ein Fest für die Tifosi
Der Achter wird zu einem würdigen Höhepunkt am Weltcupfinaltag. Nur durch einen Punkt sind Italien und Deutschland nach den Weltcuprennen von Eton und München getrennt. Bitter war die Niederlage des Deutschlandachters vor eigenem Publikum in München. Klar, dass sich die Recken aus dem Norden für Luzern Revanche geschworen haben. Der Sieg auf dem Rotsee würde nicht nur den Trophäenschrank der Ruderer bereichern, er brächte dem Deutschlandachter auch den Gewinn des Weltcup-Preisgeldes. Doch die Italiener werden sich nach dem Triumph von München die Butter nicht kampflos vom Brot nehmen lassen. Doch auf dem Rotsee gibt es auch eine Saison-Premiere: erstmals geht hier der neue australische Achter ins Rennen. Die Crew hat immerhin einen Ruf zu verteidigen – Australien holte in Athen Bronze. Bei den Frauen ist im Achter China-Boom. Die Chinesinnen sind gleich mit zwei Booten am Start. Sie bauen zielgerichtet starke Ruderteams auf – in Beijing in drei Jahren wollen sie auch im Rudersport ernten. Der Rotsee ist eine Etappe auf diesem langen Weg.

Luzern, 30. Juni 2005