14. Apr. 2007 | Nationalmannschaft | von Carsten Oberhagemann

"Jetzt fehlt nur noch Olympia" - Boat-Race-Sieger Thorsten Engelmann und Sebastian Schulte im Doppel-Interview

Thorsten Engelmann und Sebastian Schulte haben nach dem Weltmeister-Titel mit dem Deutschland-Achter einen weiteren großartigen Triumph gefeiert: Sie haben mit dem Cambridge-Achter die traditionsreichste Regatta der Welt gewonnen: Das Boat Race auf der Themse in London.

Nach 17:49 Minuten und anstrengenden 6.779 Metern hatten sie das Oxford-Boot niedergerungen und mit einer Länge Vorsprung gewonnen. Die Beiden sind zurück am Ruderleistungszentrum in Dortmund und bereiten sich nun wieder im Zweier auf die Deutschen Kleinbootmeisterschaften in Köln (21./22. April) vor. Im Doppel-Interview äußern sich sie zu den turbulenten, vergangenen Tagen.

Das Jubelbild nach dem Ziel zeigt Bände. Alle im Boot jubeln, nur der Schlagmann und Co-Schlagmann nicht. Bei der WM in Eton war das noch anders, dort standet Ihr sogar auf und habt den Riemen in die Höhe gebracht. Ging jetzt körperlich nichts mehr?
Sebastian Schulte:
Das Rennen war sehr anstrengend. Man darf sich keinen Fehler erlauben und muss sicherstellen, dass das andere Boot keine Länge Vorsprung bekommt. Der entscheidende Moment im Rennen war zwar schon nach vielleicht 4.000 Metern, aber die letzten fünf Minuten waren so hart, weil Oxford nicht nachgelassen hat und immer wieder versucht hat heran zu kommen.
Thorsten Engelmann: Ich konnte zunächst nicht aufstehen. Über 17 Minuten mit Schlagzahl 36 oder 37 zu fahren, war schon ziemlich heftig – und das auch noch bei veränderten Bedingungen: Erst hatten wir Gegenwind, dann nach der großen Kurve Schiebewind.

Beim Wiegen hast Du, Thorsten, 110,6 Kilogramm auf den Waage gebracht und bist damit der schwerste Athlet in der 178-jährigen Boat-Race-Geschichte. Wie war das möglich?
Thorsten Engelmann (lacht): Das ist was fürs Guiness Buch der Rekorde. Ich habe einfach gut gefrühstückt - und 4,5 Liter Wasser getrunken. Denn: Viel hilft viel.
Sebastian Schulte: Ich habe übrigens 4,8 Liter Wasser getrunken – und 100,4 Kilo auf die Waage gebracht.

Wie kamst Du, Thorsten, eigentlich auf der Position des Schlagmanns zurecht?
Thorsten Engelmann: Es war ein schönes Erlebnis. Auf der ersten Meile war es jedoch beunruhigend, weil Oxford vorn lag und ich keinen Gegner gesehen habe. Es war fantastisch, die Verantwortung und den Druck zu tragen - vor 7 Millionen Zuschauern am Fernsehen.

Insbesondere die am Heck des Bootes befestigte Teleskop-Kamera hatte Dich während des Rennens immer im Blick und trug Dein Bild live in den Focus der Öffentlichkeit. Hat Dich das nicht beunruhigt?
Thorsten Engelmann: Nein. Vor dem Rennen sind mir solche Gedanken schon durch den Kopf gegangen, aber während des Rennens habe ich das vollkommen ausgeschaltet. Dann sieht man die Kamera nicht mehr.

Das mediale Interesse in England ist in Sachen Rudern ja ein viel höheres als hierzulande. Wie habt Ihr es im Vorfeld und nach dem Rennen empfunden?
Sebastian Schulte: Ich schätze es sehr, dass die Medien in Deutschland grundsätzlich positiv übers Rudern berichten. In England ist man mit uns auch sehr kritisch umgegangen. So wurde Cambridge vor dem Rennen als klarer Favorit hingestellt und so etwas geschrieben: Man glaube aber nicht, dass die Mannschaft dem Druck standhalten wird. Man muss schon sehr stark sein, um sich diesem Druck erwähren zu können. Zum Glück hat sich keiner von uns beeinflussen lassen. Vom Kopf her sind wir ein sehr starkes Rennen gefahren.
Thorsten Engelmann: Außerdem wurde in Internet-Chatrooms und –Foren viel schlechte Stimmung verbreitet, in dem Cambridge runter geschrieben wurde. Davon darf man sich nicht beeinflussen lassen.

Sieger beim Boat Race. Im zweiten bzw. dritten Anlauf hat es geklappt – welche Bedeutung hat dieser Triumph für Euch?
Thorsten Engelmann: Ich bin stolz gewonnen zu haben, gerade auf der Position des Schlagmanns. Und ich kann einen weiteren Haken hinter einem großen Rennen machen. Weltmeister, Sieger beim Boat Race – jetzt fehlt nur noch Olympia.
Sebastian Schulte: Es ist schön, dass es nach zwei Versuchen zuvor jetzt endlich bei mir geklappt hat. Von der Tradition ist das Boat Race das größte, was der Rudersport zu bieten hat, auch wenn eine Weltmeisterschaft oder Olympische Spiele sportlich natürlich mehr bedeuten. Zudem trainiert man sechs harte, lange Monate auf ein einziges Rennen hin und hat nur eine einzige Chance. Jetzt sind wir im erlesenen Kreis – da macht das Feiern umso mehr Spaß.

Ihr ward ziemlich erschöpft nach dem Rennen. Hattet Ihr überhaupt noch Kraft zum Feiern?
Thorsten Engelmann: Direkt nach dem Rennen war mir schlecht und ich hatte Kopfschmerzen.  Abends,  als die Party im angesagten Club „Number One Leicester Square“ um 22 Uhr begann, ging es dann wieder. Da haben wir im siebten Stock über den Dächern von London gefeiert, aber auch nur bis 3 Uhr  – schließlich geht es für uns ja mit der Vorbereitung auf die Deutschen Kleinbootmeisterschaften direkt weiter.
Sebastian Schulte: Eigentlich war es ja eine Party für Oxford und Cambridge zusammen, aber von den Oxford-Leuten war keiner zu sehen. Sie waren wohl sehr enttäuscht, weil ja auch deren zweites Boot das so genannte Goalie-Isis-Rennen verloren hat und sie damit komplett leer ausgegangen sind.

Ihr seid seit Mittwoch zurück in Dortmund. Ohne Pause geht es direkt weiter mit der Ruderei. Wie ist das möglich?
Sebastian Schulte:
Eine Pause geht nicht - und ist auch nicht unbedingt notwendig. Nach drei Monaten ausschließlich im Achter ist nun das Zweierfahren wieder eine richtige Herausforderung. Die ersten beiden Einheiten hatten wir den Eindruck, wir sind blutige Anfänger. Es fühlte sich irgendwie seltsam an, aber mit jedem Trainings-Kilometer wird es besser. Wir haben die Dortmunder Langstrecke gewonnen, ohne vorher im Zweier gesessen zu haben. Dann wird es auch bei den Deutschen Meisterschaften klappen.
Thorsten Engelmann: Und da wollen wir den Titel erringen – und dann steht die Titelverteidigung im Deutschland-Achter in München an…