Training & Off-Training im Rudern
Sportwissenschaftler und Data Science-Experten der Universitäten Ulm und Würzburg führten 2018-19 gemeinsam mit dem Deutschen Ruderverband ein innovatives Forschungsprojekt durch, dessen Ergebnisse nun vorliegen. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, wie viel Training in der Freizeit stattfindet (Off-Training), wie intensiv es ist und ob die vorkommenden Trainingsreize eine Rolle für die Leistungsentwicklung von hochtrainierten Athleten: innen spielen.
An dem Projekt beteiligten sich 22 Ruderinnen und Ruderer zweier Trainingsgruppen aus Frankfurt (TG Ralf Hollmann) und Hamburg (TG Jan Suhrhoff), die ihre Herzfrequenzen während Training und Freizeit und über eine rudersportliche Saison mit Smartwatches aufzeichneten und maximal vier Leistungstests absolvierten. In die endgültige Analyse flossen die Daten von acht Sportlerinnen und Sportlern ein, für die im Mittel jeweils ca. 12,5 Millionen Datenpunkte existierten.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Einbeziehung von Off-Training den Umfang (14-19%) und die Trainingsbeanspruchung (TRIMP, 11%) signifikant veränderten. Die Verteilung der Trainingsintensität änderte sich zwar nicht auf Gruppenebene, aber auf individueller Ebene veränderte sie sich teilweise deutlich. Bemerkenswert ist auch, dass die Studienteilnehmer:innen ein Drittel ihres regulären Trainings mit Intensitäten von weniger als 60% der maximalen Herzfrequenz absolvierten und somit unterhalb der ersten Intensitätszone (Im DRV bezeichnet als „Technik / Kompensation“). Diese Zone gilt allgemein als Minimum des wirksamen Herzkreislauftrainings.
Zur Überraschung der Wissenschaftler zeigte sich statistisch kein signifikanter Einfluss des Off-Trainings auf die Leistungsentwicklung. Das könnte zum einen daran liegen, dass die häufig kurzen und meist niedrig-intensiven Off-Trainingsreize bei hochtrainierten Athleten keine weitere Anpassung bewirken, möglich ist aber auch, dass die schlussendlich geringe Gruppengröße das Ausbleiben eines statistischen Nachweises bewirkte. Der reduzierte Stichprobenumfang ist auf eine hohe Dropout-Quote zurückzuführen, wesentlich verursacht durch technische Probleme mit den 2018 aktuellen Smartwatches, die anfällig für Datenverluste waren und häufiges Laden erforderten.
Die wissenschaftliche Arbeitsgruppe empfiehlt daher, aktuelle Wearables bzw. Smartwatches zu verwenden und zumindest in Studien und akribisch arbeitenden High-Performance Trainingsgruppen das Off-Training zunächst in das Monitoring einzubeziehen. Ein sonst übersehenes Trainingsvolumen von 14-19% scheint vor dem Hintergrund der sportwissenschaftlichen Literatur schlichtweg relevant und sollte kein „blinder Fleck“ bleiben, wenn es darum geht, (ausbleibende) Trainingsanpassungen besser zu verstehen. Zudem untermauern die Ergebnisse die Notwendigkeit, auch biologische Trainingsdaten (z.B. Herzfrequenz) zu erfassen, weil ansonsten die tatsächlich realisierten Intensitäten nicht mit den Vorgaben zu vergleichen sind.
Die Wissenschaftler bedanken sich bei den Sportlern und Trainern für Ihre Zeit und ihr Engagement, beim Deutschen Ruderverband für die Kooperation in dieser innovativen Studie und beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft für die Forschungsförderung. Die Publikation ist für alle Interessierten kostenlos abrufbar unter https://www.nature.com/articles/s41598-021-96569-0
Das Projekt wurde durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaften unterstützt (AZ 070705/18-20)
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