19. Juni 2007 | Nationalmannschaft | von Carsten Oberhagemann

5 Fragen an Dieter Grahn: Es ist ordentlich trainiert worden

Über die Situation vor den ersten Rennen der Saison bei den Riemenruderern sprach Carsten Oberhagemann mit Bundestrainer Dieter Grahn. Aktuelle Ergebnisse der Rennen u.a. im Welt-Cup finden sich auf

www.rudern.de und im

RUDERSPORT .

Gold im Achter und Vierer-mit, Silber im Vierer-ohne, auch die übrigen Riemen-Boote haben in Eton im Vorjahr nicht enttäuscht. Wie bewerten Sie im Nachhinein das Abschneiden bei der WM?

Dieter Grahn: Das war ein ganz hervorragendes Abschneiden. Damit konnte man nicht rechnen, auch wenn wir damit geliebäugelt haben. Im vergangenen Jahr haben wir viel experimentiert – und es ist uns schließlich gelungen, die richtigen Leute in die richtigen Boote zu bekommen. Und das obwohl wir zu Jahresbeginn mit krankheitsbedingten Ausfällen zu kämpfen hatten und wir die Position des Schlagmanns im Deutschland-Achter lange offen halten mussten. Mit Bernd Heidicker auf Schlag haben wir schnell Fortschritte gemacht: Aus der Niederlage in Henley haben wir die richtigen Lehren gezogen und schon eine Woche später in Luzern gewonnen – das hat uns Auftrieb gegeben und wir konnten konsequent an den aufgedeckten Fehlern arbeiten.
Der Vierer-mit, in dem die Ersatzleute für den Achter saßen, hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr gut zusammengerauft. Die Athleten, die aus verschiedenen Lagern (Halle und Dortmund) kamen, haben beispielhaft gezeigt, was möglich ist, wenn man an einem Strang zieht. Es war aber ein insgesamt schwerer Weg zum Gold.
Und der Vierer-ohne - mit Typen, die menschlich und rudertechnisch hervorragend zusammen passen – hat mich mit seinem fantastischen Endspurtvermögen sehr überrascht. Das darf über die Zeit, die auf dem ersten Streckenabschnitt liegen gelassen wurde, aber nicht hinwegtäuschen. Für die Zukunft müssen sie die Stärken weiter ausbauen und die Schwächen abstellen.

Im Laufe des vergangenen Jahres wurde der Achter umbesetzt, dabei gab es dem Vernehmen nach auch heftige Diskussionen zwischen Athleten und Trainer. Inwieweit lassen Sie in den Fragen der Mannschaftsbildung die Mitbestimmung der Athleten zu?

Dieter Grahn: Die Umbesetzung des Deutschland-Achters war zu diesem Zeitpunkt so nicht geplant. Andreas Penkner und Jochen Urban haben nicht in die Mannschaftsbildung des Achters reingeredet, sie haben sich für den Zweier entschieden und dort ein größeres Erfolgserlebnis erhofft. Als Trainer kann und muss man damit leben, wenn Sportler sich beweisen wollen. Nur der Zeitpunkt – mitten in der Saison - war für mich ein bisschen überraschend, man hätte es auch langfristig angehen können. Für den Deutschland-Achter hat diese Umstellung eine große Bedeutung, weil zwei passende Athleten gefunden werden mussten, die die technische Voraussetzung fürs Großboot und die Akzeptanz der Mannschaft mitbringen.

Inzwischen ist ein Teil der Saisonvorbereitungen gelaufen, wie schätzen Sie den Leistungsstand im Vergleich zu den Vorjahren ein?

Dieter Grahn: Es ist ordentlich trainiert worden, es gibt aber wenig Vergleichswerte. Erst am Ausgang der Rennsaison werden wir sehen, wo wir stehen. Erfreulich waren zwei Testrennen im Achter: In Sabaudia hat eine Besetzung mit Ruderern, die in den Achter drängen, einen Teil des italienischen Achters geschlagen, der bei der WM in Eton Silber gewonnen hat. Und gegen den Cambridge-Achter hat die überwiegende WM-Besetzung in einem ordentlichen Wettkampf in London gesiegt. Das Wichtigste ist aber, dass alle Athleten weitestgehend gesund über den Winter gekommen sind.

Im Vorjahr wurde auf das Höhentrainingslager vor der WM verzichtet. Sind auch für 2007 grundsätzliche Veränderungen im Saisonaufbau zu erwarten?

Dieter Grahn: Grundsätzlich nicht. Um Fortschritt sind wir aber immer bemüht. Mit dem Wechsel von der Höhe ins flache Breisach haben wir den richtigen Schritt getan. Es gab ja im Vorjahr einige Zweifler am Höhentrainingslager. Im Flachen ist zudem keine Anpassung notwendig, wir konnten vom ersten Tag von der Intensität und vom Unfang voll trainieren. Der Nachteil war die extreme Hitze im vergangenen Sommer.
Die Saisonvorbereitung 2007 ist die Generalprobe für das Olympiajahr. Mit Blick auf Peking 2008 haben wir unseren strengen Fahrplan noch um das Athletik-Trainingslager im Herbst in Soustons erweitert und das Frühjahrs-Trainingslager in Sabaudia um eine Woche verlängert. Damit erreichen wir einen größeren Trainingumfang, der im Olympiajahr nur noch stabilisiert werden soll.

Die Weltmeisterschaften im eigenen Land und dann auch noch mit Olympiaqualifikation bringen sicherlich einen besonderen Druck auf Mannschaften und Trainer. Haben Sie schon ein Konzept, wie man damit umgehen wird?

Dieter Grahn: Erst einmal: Wir freuen uns auf die Weltmeisterschaften im eigenen Land. Für jeden Trainer und jeden Athleten ist es doch etwas ganz Besonderes. Nirgendwo sonst kommen so viele eigene Anhänger an die Regattastrecke. Wer will vor diesem Publikum schon verlieren?
Aber mit diesen Umständen müssen wir auch umgehen und es darf nicht sein, dass wir vor lauter Druck nicht mehr rudern können. Da ist der Psychologe gefragt. Wir bedienen uns ja schon seit längerem externer Hilfe. Schwerpunktmäßig werden wir uns mit der Frage beschäftigen: Wie gehen wir mit dem Druck der Medien um? Schließlich wollen wir ähnlich erfolgreich rudern wie in Eton.