27. März 2009 | Nationalmannschaft | von Oliver Palme, Pressesprecher

Interview mit DRV-Sportdirektor Michael Gentsch

Rudern.de: „Herr Gentsch, warum haben Sie sich gerade in dieser Phase für die Stelle des DRV-Sportdirektors beworben?“

Michael Gentsch: „ Nach den Ergebnissen der WM in München, die ich live mitverfolgt hatte und dem Abschneiden in Peking war es klar, dass der DRV sich im Bereich Leistungssport neu aufstellen musste. Mit Hartmut Buschbacher und Renko Schmidt vervollständige ich nun dieses Team. Ich denke, unsere gemeinsame Basis ist der Wille zum Erfolg.

Der Anspruch des DRV muss es sein, wieder eine Spitzenposition im Weltrudersport einzunehmen. Dafür will ich mich mit all meinen Erfahrungen und Kenntnissen engagieren.“

Rudern.de: „Sie kommen aus dem Rudersport, wie sah Ihr persönlicher Werdegang in den letzten Jahrzehnten aus?“

Michael Gentsch: „ Ruderer bin ich seit 1968, leistungssportlich aktiv war ich bis 1981. Nach Abschluss des Studiums (Politik, VWL, Amerikanistik) arbeitete ich im Marketing, bevor ich 1988 in die Politik ging (Pressesprecher des Präsidenten des Abgeordnetenhauses in Berlin, Sprecher der Landesregierung von Sachsen-Anhalt). Danach setzte ich mich für die Olympiabewerbung Berlin 2000 ein. Anschließend war ich mehr als 12 Jahre als Geschäftsführer für eine verbandsübergreifende, soziale Initiative der deutschen Alkoholwirtschaft tätig. Nach nunmehr einigen Jahren selbständiger Tätigkeit als Unternehmensberater in Sachen Public Relation reizt mich die Aufgabe als Sportdirektor des DRV sehr.“

Rudern.de: „Welche Schwerpunkte sehen Sie in Ihrer neuen Aufgabe?“

Michael Gentsch: „Kurzfristig müssen Erfolgspotentiale, die durchaus vorhanden sind, besser genutzt werden. D.h. eine bessere Koordination von allen Aktiven, Trainern, Vereinen und Verband wie auch den offiziellen Stellen, die für den Leistungssport zuständig sind. Wir müssen wieder überzeugt an einem Strang in die gleiche Richtung ziehen !

Langfristig gilt es, die Rahmenbedingungen für den Ruderleistungssport in Deutschland zu optimieren. Hier muss ein neues Konzept entwickelt werden, das alle Beteiligten einbezieht, vom Sport über die Politik, Wirtschaft bis hin zu Wissenschaft und Medizin.
Es ist Zeit, dass der Rudersport in Zukunft wieder ein positiveres Bild in der Öffentlichkeit bietet, z.B. mit Mannschaften, die Vorbildcharakter ausstrahlen.    

Rudern.de: „Wie sieht die interne Abstimmung mit Cheftrainer Hartmut Buschbacher aus?“

Michael Gentsch: „Als Fußballer würden Hartmut Buschbacher und ich sicher eine Doppelspitze bilden – als Ruderer sitzen wir in einem Doppelzweier, werden die Schlagzahl und den Erfolgs-Druck erhöhen und gemeinsam nach den besten Lösungen suchen. Als Arbeitsgrundlage sehe ich bei uns den Ansatz einer kooperativen und konstruktiven, erfolgsorientierten und realistischen Sicht der Dinge.“

Rudern.de: „Die Messlatte liegt mit vier Goldmedaillen in London 2012 sehr hoch! Was ist nötig, um dieses hohe Ziel zu erreichen?“

Michael Gentsch: „Nach meiner Meinung: Individualisierung – Konzentration – Optimierung. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein gezielter persönlicher Ansatz der sportlichen, beruflichen und sozialen Förderung, die auf den einzelnen Aktiven individuell zugeschnitten ist, unglaubliche Potentiale freisetzen kann. Es ist die Frage, ob wir eine komplette Flotte in London bestücken müssen. Wenn uns die Konzentration auf erfolgsversprechende Boote weiter bringt, werden wir diesen Weg beschreiten. Mit einer Optimierung der Rahmenbedingungen für den Rudersport  in Deutschland werden wir einen Motivationsschub erreichen.“ Der DRV erzielt bei den Juniorenweltmeisterschaften und bei der U 23-WM in den letzten Jahren hervorragende Resultate. Hier muss es uns gelingen, den Aktiven die Brücke zu einer längeren Ruderlaufbahn zu schlagen. Talente gibt es genug.

Rudern.de: „Der Leistungssport wird nach der sportlichen Talsohle von Peking besonders im Fokus der Medien 2009 stehen. Welche Schwerpunkte müssen in der Außendarstellung gesetzt werden?“

Michael Gentsch: „Jeder Athlet hat seine eigene Geschichte. Wenn die Medien bereit sind, sich auf die einzelnen Persönlichkeiten einzulassen, haben sie genügend „Stoff“. Wir sollten dabei behilflich sein, hier kreativ Bezeichnungen für einzelne Mannschaften zu prägen. Ich erinnere nur an den sog. „Bullenvierer“ von 1972. Darüber hinaus muss man natürlich realistische Zielsetzungen vorgeben und keine überzogenen Erwartungshaltungen schüren. Auch sehe ich den Zeitraum nicht auf 2009 begrenzt, sondern man muss die Entwicklung bis 2012 beobachten. Und eines ist noch ganz wichtig im Umgang mit den Medien: Transparenz. Dann werden wir zum Jahresende schon besser dastehen.“

Rudern.de: „Was war Ihr größter ruderischer Erfolg?“

Michael Gentsch: „Die Tatsache, dass unser Olympia-Doppelvierer von Montreal sowie unser Betreuer seit 1987 alle zwei Jahre eine Wanderfahrt unternimmt, erfüllt mich mit Stolz und Freude. Das ist wirklich gelebte Kameradschaft und Freundschaft, die tieferen Werte des Sports. Natürlich gab es da noch das eine oder andere tolle Rennen, das jedoch eher den Gegnern in Erinnerung bleibt.“