31. Jan. 2010 | Verband | von Hans Rath (Münster)

100 Jahre Bootstechnik im DRV (Teil 1)

Englische Kaufleute und Lehrer gründeten die ersten Rudervereine in Norddeutschland. Sie brachten auch das Sportgerät von der Insel mit. Selbst nach der Gründung des Deutschen Ruderverbandes am 18.3.1883 in Köln mussten Ruderboote weiterhin aus England eingeführt werden. Etwa um die Jahrhundertwende begannen auch deutsche Yachtwerften mit dem Bau von Sport-Ruderbooten. 1900 wurde der erste Rennachter in Deutschland gebaut . Man versuchte sich auch im Bau von leichteren Hohlriemen aus Holz , hatte jedoch große Haltbarkeitsprobleme, da es noch keine wasserfesten Leime gab. Mehrere Yachtwerften bauten jeweils selbst entwickelte Bootstypen mit und ohne Ausleger.

Schon 1908 erkannte Oskar Ruperti , dass die Entwicklung der Sportruderboote geordnet werden müsse, um es den Vereinen zu erleichtern, geeignetes Sportgerät zu erwerben. Es dauerte aber noch bis zum 18.7.1910 bis der DRV sich entschloss, eine Technische Kommission – den Vorläufer des Technischen Ausschusses – zu gründen. Damit ist der TA der älteste Fachausschuss des DRV !!

Der DRV-Vorstand berief neben Bootsbauern auch erfahrene Ruderer, Vereinsbootswarte und Trainer in dieses Gremium. Auf der ersten Tagung am 20.11.1910 beschloss man, zunächst einen Fragebogen an alle Vereine zu verschicken, um einen Überblick über Bootsbestände, Bootstypen, Bootsabmessungen und die Wünsche und Sorgen der Vereine zu bekommen.

Schon 1911 entschloss sich die Technik-Kommission, für das Dauerrudern Maße für eine A-Gig (1m) festzulegen, um den Vereinen ein geeignetes Boot für Ausbildung und Wanderrudern zur Verfügung zu stellen. Die Werften wurden gebeten, diese Maße beim Bau der Ruderboote einzuhalten. Da offenbar die Ruderer leichtere und schnellere Boote verlangten, bauten die Bootswerften Perdeß und Deutsch 1919 die ersten B-Gigs (78cm). Sie waren gedacht für den Einsatz bei Nachwuchsrennen. Der Verfasser hat noch 1950 sein erstes Rennen in solch einer schweren, in Klinker-Bauweise erbauten Vorkriegs-B-Gig  bei „Weser in Flammen“ in Minden gewonnen. Nicht nur bei den Bootstypen, auch beim Zubehör gab es eine Vielfalt von unterschiedlichen Ausführungen. Jede Werft hatte eigene Produkte entwickelt. 1927 erstellte deshalb das TA-Mitgied L. Horst in Zusammenarbeit mit den Werften 50 Normblätter, um hier zu einer Vereinheitlichung zu kommen .

1934 gibt der TA ein Versuchsprogramm an die VWS (Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffsbau) in Berlin, um für die olympischen Spiele 1936 optimale Boote und Bootsformen zu entwickeln. Wissenschaftlich begleitet wurden diese Versuche von Mitgliedern des TA.

Wilheln Reuß und Wim Schröder geben 1936 im Auftrag des TA den technischen Ratgeber: “Ruder, Boot und Bootshaus“ heraus. Damit liegt erstmals ein umfassendes Werk über Bootskunde, Bootshaus- und Stegbau vor .

Um die Werften anzuhalten, im Bereich der Gigs möglichst alle Boote gleich zu bauen, entschließt sich 1936 der TA,   die A- und B-Gigs zu normen (Länge über alles, größte Breite , Breite in der Konstruktions-Wasserlinie und Mindestgewicht werden festgelegt) und in Verbindung mit den Bootstechnischen Bestimmungen in den AWB zu verankern. Um die Normung auch bei allen Booten dieser Typen garantieren zu können, werden im damaligen Reichsgebiet 29 Vermesser ausgebildet, die alle Neubauten dieser Gigs noch in den Werften vermessen, mit einer Registrierungsnummer versehen und einen Messbrief ausstellen. Auch nach dem Krieg konnten bis in die 1980er Jahre nur vermessene Gigs ausgeliefert werden. Durch diese Maßnahme verfügte der DRV nunmehr über 2 Normboote für den Breitensport.

Der Ratgeber: „Ruder, Boot und Bootshaus“ musste schon 1940 in 2. Auflage neu herausgegeben werden.

Nach dem Krieg richtet der schnell wieder gegründete „Arbeitsausschuss Rudern“ als Vorläufer des DRV gleich einen „Technischen Ausschuss“ ein und besetzt ihn mit ausgezeichneten Fachleuten und erfahrenen Ruderern z.B. Wilhelm Reuß, Dr. Clemens Peters, W. Ohlendorf (Ing. bei der Bootswerft Abeking und Rasmussen) und Joachim Perrey . Die Aufgabe des TA bestand in den ersten Nachkriegsjahren vor allem darin, wieder Kontakt mit den Bootsbauern aufzunehmen und diese zu bitten, Reparaturen an den alten Booten durchzuführen, da die Besatzungsmacht den Bau von Booten über 10 m Länge verboten hatte. Das TA-Mitglied Karl Schütte verstand es, in langwierigen Verhandlungen die Alliierten doch noch davon zu überzeugen, dass man mit einem 18 m langen Achter keinen militärischen Schlag unternehmen könne!!

Wilhelm Reuß gibt 1949 eine vorläufige Broschüre: „ Das Sportgerät des Ruderers “ als Information zur Bootstechnik für die Vereine heraus, da eine Neuauflage des Ratgebers zunächst nicht finanziert werden kann.

Der TA verhandelt ab 1950 mit den Werften und regt den Bau von leichteren Sperrholzbooten an. Es gibt zu der Zeit allerdings nur wasserfestes Sperrholz in den Abmessungen 1 m x 1 m. Die Bootshaut muss nach Anschäftung und Zusammenleimung dieser Stücke auf die passende Länge über den vorgefertigten Innenausbau gebogen werden. Mit diesem Material stellen dann die bekannten Sportbootwerften die ersten C-Gigs mit gebogener Sperrholz-Bootshaut her. Die Bootswerft Gehrman experimentiert aber schon bald mit der formverleimtem Schalenbauweise bei den C-Booten, da die unter Spannung stehende gebogene Bootshaut schon bei kleinen Stößen großflächige Risse bekommt . Bei der Formverleimung werden über einer Blockform in den Abmessungen des Bootstyps die einzelnen Sperrholzschichten unter Druck und Hitze miteinander verleimt. Die Bootshaut bekommt so eine viel bessere Formstabilität und Haltbarkeit. 1952 kann der Vorsitzende des Rh.- Westf.-Regattaverbandes, Georg Haas , den Bau von 50 C-Gig-Vierern aus Mitteln des Bundesjugendplanes für seinen Landesverband bauen lassen und zu 50% bezuschussen. Die C-Gig wird so zum meistgebrauchten Ausbildungsboot.

Zum 70. Geburtstag von Oskar Ruperti sammeln die deutschen Ruderer für eine Ruder-Barke.

Joachim Perrey erstellt hierfür die Pläne ( erste Barken gab es schon 1936 bei der Sporthochschule in Berlin), die der TA in einer Mappe veröffentlicht.

Der TA passt die Normblätter an die neuen Verhältnisse bei den Sperrholzbooten an und fügt mit den A-, B-, C- und D-Gigs nunmehr 4 Normboote in die BB der AWB ein.

1954 werden im Auftrag des TA erste Schleppversuche zu optimalen Bootsformen durchgeführt. W. Reuß fertigt Zeichnungen zu Ruderbecken an, die den Vereinen zur Verfügung gestellt werden.

In den Jahren 1956 bis 58 machen TA-Mitglieder erste Filmaufnahmen zum Blattschlupf , die in Verbindung mit weiteren Materialtests zu der neuen Form des „Macon-Blatt es “ führen, welches Karl Adam dann erfolgreich für seine Mannschaften einsetzt.

Schon im Hinblick auf die Olympischen Spiele in München lässt der TA ab 1963 Schleppversuche mit Ruderbooten zur optimalen Wassertiefe von Regattastrecken durchführen. Die FISA legt daraufhin die Mindesttiefe auf 3m fest.

Eine weitere Neuauflage des Handbuchs: “Ruder, Boot und Bootshaus“ wird notwendig.

Etwa ab 1965 hat sich die formverleimte Bootsbauweise überall durchgesetzt . Es werden schon erste Versuche mit der Kunststoffbauweise unternommen und Zubehörteile (Dollen, Manschetten und Rollsitzrollen) aus Kunststoffen angefertigt.

Das vom TA im Laufe der Jahre erstellte Material zur Bootstechnik ist inzwischen so umfangreich geworden, dass 1967 ein Technisches Archiv unter der Leitung von Arno Kumpe eingerichtet wird.