09. Dez. 2010 | Panorama | von Peter Heiden

Mehr als ein Nachruf - „Kuhli rudert nicht mehr ….“

Siegfried Kuhlmey-Becker

5. Januar 1928 - 29. November 2010

so war es am 04.12.10 in den LN zu lesen und es hat uns sehr betrübt. Zu Beginn unseres Jubiläumsjahres 2010 konnten wir unseren alten erfolgreichen Ruderlehrer und Trainer noch beim Festakt sowie auf dem abendlichen Ball begrüßen und uns von seiner Freude an der Entwicklung der von ihm ruder- und rennsportlich geprägten Lübecker Ruder-Gesellschaft von 1885 überzeugen.
Wir haben uns in den Chroniken 1985 und 2010 ausführlich mit seinem Wirken beschäftigt und übernehmen deshalb in diesen Nachruf wesentliche Aussagen:

Nach einer Zwischenphase der Jahre 1953 bis 1955 … verpflichtet der Vorstand einen jungen Trainer. Genauer sollte man sagen: Ruderlehrer. Denn Siegfried Kuhlmey-Becker, der1953die Achter-Meisterschaft für den Mannheimer RV errang, verbindet profunde Ruderkenntnisse mit der pädagogischen Fähigkeit, junge Ruderer auszubilden, sie zu begeistern und ihnen seine Erkenntnisse auch so zu vermitteln, dass ihnen bewusst wird, warum sie etwas tun. Zudem gehört er zu den ganz wenigen in Deutschland, die frühzeitig erkennen, dass sich im nahen Ratzeburg etwas abspielt, was eng mit der Trainingsmethode des dortigen Ruderlehrers zusammenhängt.

Durchbruch zu höchsten Weihen: Siegfried Kuhlmey-Becker

Während das übrige Ruder-Deutschland noch lacht bzw. die Erfolge der von Fersen, Rulffs, Lenk und Schröder für Zufall hält, verbindet Kuhlmey-Becker schon ein modifiziertes Fahrtenspiel-/Meßstreckentraining à la Adam/Gerschler mit einer intensiven rudertechnischen Ausbildung seiner Mannschaften. Zudem erkennt er auch die Vorzüge der bootstechnischen Neuerungen(Macon- Riemen, Verstellen der Innenhebel und des Dollenabstandes und einiges mehr) des Mathematikers und Physikers Karl Adam und übernimmt sie Schritt für Schritt. …. Kuhlmey- Beckers  Mannschaften rudern ohne Ausnahme schön: lang, spritzerfreier Einsatz, saubere Blattdeckung, ausgewogener Rhythmus durch Gleichmaß zwischen Durchzug und Vorrollen – in der Summe ein ästhetischer Genuss auch für den Nichtfachmann und eine Werbung für den Rudersport. In dem Jahrzehnt der Arbeit Kuhlmey-Beckers in Lübeck können seine Mannschaften auch ohne L.R.-G.-Abzeichen auf den Regatten identifiziert werden, allein am Ruderstil Aber seine Mannschaften rudern nicht nur schön, sie sind auch zunehmend schnell.
Schon in seiner 1. Regatta-Saison 1956 werden 3 Siege auf den Jugendbesten-Kämpfen in Heilbronn errungen. In den Folgejahren gelingen zahlreiche Regattaerfolge, die Jugendmannschaften wachsen in die Männerklasse und 1961 gewinnt die L.R.-G. nach 1932 ihre zweite Deutsche Meisterschaft im LGW.-Vierer mit Stm. In Hannover. Der Oskar-Ruperti-Preis wird ebenfalls 1961 erstmals und dann bis 1965 in ununterbrochener Reihenfolge gewonnen. Aber seine Trainertätigkeit steuert auf einen Erfolg zu, den niemand zu träumen gewagt hätte: im Jahre 1962 gewinnt sein RGM- Vierer-ohne die Goldmedaille bei den ersten Ruder- WM in Luzern mit den Ruderern Gerd Wolter und Dagobert Thometschek von der L.R.-G. sowie Christian Prey und Peter Paustian vom EKRC. Weitere Erfolge auf allen Leistungsebenen schließen sich an, die erwähnten Chroniken berichten darüber sehr detailliert, wir erwähnen hier nur den Gewinn der Goldmedaille bei den Europameisterschaften 1963 in Kopenhagen im RGM Vierer-ohne L.R.-G. und RRC.
Mit Abschluss des Jahres 1964 erfährt die Rennruderei der L.R.-G. eine einschneidende Veränderung: Kuhli verlässt unseren Verein. Aus einem unbekannten Nachwuchstrainer ist ein Ruderlehrer mit internationaler Reputation geworden, für die Lübecker Ruder-Gesellschaft im doppelten Sinn unbezahlbar.

Er wird Landestrainer in NRW und schließt sich später der ETUF in Essen an. Hierzu schreibt der DRV in seiner „unnachahmlichen“ Weise:

„Trauer um Siegfried Kuhlmey-Becker

Am 29. November 2010 ist Siegfried Kuhlmey-Becker 82-jährig in Bochum verstorben.
Er wurde 1963 Trainer bei der Ruderriege ETUF Essen und war von 1967 bis 1993 als NRW-Landestrainer ein profilierter und nicht immer bequemer Vertreter der Zunft. In dieser Zeit war er als Trainer verantwortlich für die Bronzemedaille im Vierer-ohne in München 1972, was sicher als Höhepunkt seiner Karriere zu bezeichnen ist. Daneben hat Kuhlmey-Becker eine Vielzahl von Erfolgen im gesamten Spektrum des Leistungssports zu verzeichnen und vielen Menschen Freude am Rudersport vermittelt. Der Rudersport hat eine profilierte Persönlichkeit verloren, die sich bis zuletzt für unseren Sport engagiert hat. „

Lieber Kuhli, einen derartig falschen „Nachruf“ hast Du wirklich nicht verdient, denn „Höhepunkte Deiner Karriere“ waren ganz zweifellos Deine herausragenden Ruder- und Regattaerfolge in den 10 Jahren Deiner Tätigkeit in Lübeck mit Deinen Ruderinnen und Ruderern, die sich auch nach Deinem Tod weiterhin mit Dir verbunden fühlen.

Wir sprechen den Hinterbliebenen unser Beileid aus, wollen aber gleichzeitig – im Gegensatz zur Einleitung der Traueranzeige - betonen: dass unser Kuhli auch zukünftig mit und durch uns, seinen dankbaren Trainingsleuten, Wander- und Freizeitruderinnen und-ruderern in der Lübecker Ruder-Gesellschaft von 1885 und in der Lübecker Frauen-Ruder-Gesellschaft von 1907 weiterrudern wird