Peter-Michael Kolbe: "Berlin hat Top-Voraussetzungen"
„Berlin hat Top-Voraussetzungen – da sollte noch mehr für`s deutsche Rudern kommen!“
Als am 8. April Landesruderverband und der langfristigePartner des LRV, der französische Umweltdienstleister Veolia Wasser GmbH Athleten, Trainer und Vereinsvertreter zur gemeinsamen Saisoneröffnung gebetenhatten, waren der Einladung auch Ruder-Heroen von einst wie Egbert Hirschfelder (Olympiasieger 1964 im Vierer mit und 1968 im Achter) und der Hamburger Peter Michael Kolbe, fünf Mal Weltmeister im Einer und drei Mal Olympia-Zweiter, nachgekommen. Der 56-jährige Hanseat, der nach der Skuller-Karriere von 1990 bis 1994 Sportdirektor des DRV war, dann in Norwegen lebte und 2007 nach Deutschland zurückkehrte, galt als Athlet als unbequemer Querdenker und blieb es als Funktionär. Und er ist es heute noch, wie sich bei seinem Hauptstadt-Abstecher im Interview mit der LRV-Website herausstellte. Kolbe ist kein Vielredner, aber er hat eine Menge zu sagen.
Herr Kolbe, was treibt Sie als Hamburger ausgerechnetnach Berlin?
LRV-Geschäftsführer Michael Hehlke hat mich gefragt, und ich habe zugesagt. So einfach ist das. Wir kennen uns seit langem, auf dem Wasserund an Land.
Der LRV-Vorsitzende Werner Stahr sprach bei Ihrer Vorstellung davon, Sie könnten ja der Hauptstadt helfen, ihrer nationale Ruderposition auszubauen …
Das habe ich auch etwas erstaunt vernommen. Um Missverständnissen vorzubeugen: ich werde hier keinen Job im Rudersportannehmen oder sonstwas in der Richtung. Aber wenn mich jemand fragt, was sagst Du zu diesem oder jenen, dann bin ich gerne bereit meine Meinung zuartikulieren – aber nur dann, wenn ich den Redetext nicht gleich mit in die Hand gedrückt bekomme.
Rudern in Deutschland – ist nach der WM 2009, die auf das Olympiadebakel von Peking folgte, alles wieder gut?
So schnell geht das nicht. Aus meiner Sicht stehen da nocheinige Veränderungen an. Ich sehe jedenfalls genug Dinge, die man konzeptionellanders und besser machen kann – wobei das natürlich meine subjektive Sicht ist. Als ich mit dem Rudern angefangen habe, war es meine Erfüllung, Regatten zufahren. Heute wird das mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt.
Woran ist das erkennbar?
Ich habe damals alle zwei Wochen im Boot gesessen, heutestehen für die jungen Talente vielleicht vier große Wettkämpfe in der Saisonauf dem Programm. In einem Olympiazyklus sind das dann 16 – damit ist man keinerfahrener Ruderer, der in einem Moment auch mentaler Höchstbelastung mit allenHerausforderungen umgehen kann. Mehr Regatten bringen mehr Wettkampfhärte.
Die hatten Sie zweifellos, aber mit dem Olympiagold hates dennoch nie geklappt. Ist das für Sie heute noch ein Trauma?
Nein, das wäre absolut übertrieben. Der Boykott der Spiele1980 in Moskau, in jenem Jahr, wo ich wohl meine stärkste Saison überhaupt hatte, der tut allerdings noch immer ein bisschen weh.
Sie haben nach den Aktiven-Jahren und der Zeit danach als Sportdirektor anderthalb Jahrzehnte in Norwegen gelebt. War es dort anders, besser, als in Deutschland?
Deutschland ist meine Heimat, 2007 bin ich nach Hause gekommen. Auch, wenn ich Norwegen in keinster Weise in Unfrieden verlassen habe. Aber so richtig warm geworden bin ich wohl nie. Dabei sind die Leute da insgesamt durchaus positiver als die Bedenkenträger in Deutschland. Es ist dort einfacher, sich durchzusetzen.
Als Sportdirektor im DRV haben Sie sich 1990 mit großem Veränderungswillen, mit Energie und Kreativität in die Arbeit gestürzt. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Teils, teils. Man muss sich mal überlegen, was das gesamtgesellschaftlich für eine Zeit in Deutschland war. Man war mit Umbrüchen konfrontiert, die alle bis dahin bekannten Dimensionen sprengten. Dafür waren die Ergebnisse gar nicht schlecht. Natürlich gab es auch Dinge, die nicht so gelaufen sind. Dazu gehört zum Beispiel die schon genannte Entwicklung hin zu immer weniger Regatten. Deutsche Meisterschaften sind heute nur noch ein Anhängsel.
Zurück zum Tradierten, das kann es doch aber nicht sein?
Nein, und damit hätte man das, was ich gesagt habe, auch gründlich missverstanden. Natürlich muss sich das Rudern noch viel mehr öffnen. In die Städte gehen, wo es möglich ist, und nicht aus ihnen raus. Auf die Leute zu und nicht von ihnen weg. In Berlin und auf der Hamburger Alster gibt es doch dafür tolle Möglichkeiten. Ich bin ganz bestimmt kein konservativer Traditionalist. Ganz im Gegenteil. Ich sage den jungen Leuten: macht nich timmer nur den gleichen Stiefel, probiert was Neues, sammelt Erfahrungen, bestimmt eure Grenzen neu.
Berlin hat jede Menge Wasser, viele Rudervereine, abernicht ganz so viele Spitzenathleten in den Auswahlbooten …
Stimmt, und das ist aus meiner Sicht nicht so ganz nach zuvollziehen. Für mich sind die Voraussetzungen in der und rund um die Hauptstadt ideal. Der LRV hat eine Reihe kompetenter Trainer in Lohn und Brot. Da sollte noch mehr fürs deutsche Rudern kommen.
Und wie sieht es mit dem Ruderer Kolbe selbst heute aus?
Ich bin dosiert, aber regelmäßig unterwegs. Je nach Zeitfonds. Mit zwei Vorgaben: die Strecke darf nicht unter vier Kilometer lang sein, der Streckenschlag nicht über 32 liegen. So eine hektische Mastersregatta über 1000 Meter, wo mit 35er bis 40er Schlag durchgeknüppelt wird wie verrückt,das ist nicht mein Ding.
Vielen Dank, Herr Kolbe, für das interessante Gespräch.