Soweit die Rollsitze tragen - „All you can row“ auf dem Rhein
An einem der längsten Tage des Jahres fand heuer zum vierten Mal "All you can row" des Karlsruher Rheinklubs Alemannia statt. Die Idee dieser Breitensportveranstaltung ist, zu erfahren wie weit man - in Kilometer gemessen - an einem Tag rudernd kommt. Dieses Mal mit Unterstützung des Landesruderverbandes Baden-Württemberg, denn die Ausschreibung stieß auf so großes Echo, das der Bootspark der Alemannen nicht ausgereicht hätte.
46 Ruderinnen und Ruderer hatten sich angemeldet, 13 vom Karlsruher Rheinklub und 33 vorwiegend aus Rudervereinen des "Musterländles", aber auch je ein Teilnehmer aus Berlin und aus der Schweiz. Gestartet wurde bei Sonnenaufgang am Kopfende des Becken I des Karlsruher Hafens. Nach etwa 3 Kilometern erwartete der Rhein die Ruderer, um mit etwas Strömung das Kilometer-Ergebnis zu verbessern.
Aufstehen um 3:45 Uhr, das ist schon hart. Trotzdem war um Viertel nach Vier keiner mehr in den Schlafsäcken. Es herrschte eine leicht hektische Betriebsamkeit, zuerst an den Frühstückstischen im Vereinssaal, dann auf dem Bootsplatz. Um kurz nach 5 Uhr legte Einerfahrer Christian Klandt vom Bonner RV ab. Der große Rest waren gesteuerte Gig-Doppelvierer, darunter die "Judith" und die "GO2" des Landesruderverbandes. Vorab hatten die Teilnehmer ihr Wunschziel nennen können und dementsprechend wurden die Boote von Organisationschef Wolfdietrich Jacobs besetzt. Wenn die Mannschaftsmitglieder sich einig waren, durfte auch weiter gefahren werden. An Land agierte ein mehrköpfiges Helferteam mit drei Bussen und zwei Bootsanhängern. Minimalziel war Worms, aber "nur" gut 85 Kilometer wollte sich keiner auf die Fahne schreiben. Bis spätestens zum Sonnenuntergang um halb zehn musste aber jedes Boot angelegt haben.
Um 5:30 Uhr in der Früh waren alle Boote gestartet. Viele Teams machten beim RV Rhenania Germersheim oder bei der Rudergesellschaft Speyer eine erste, kleine Pause. An den Ufern wenig Menschen, dafür auf dem Fluss recht viel Schiffsverkehr unterwegs. Noch fühlte man sich frisch und beim Ludwigshafener Ruderverein war ein wütender Italiener aus dem Clublokal die bis dahin größte Herausforderung.
Der Rhein: Mal störrisch, mal ruhig, mal mit viel Grün beiden Seiten und rund um Mannheim viel Industriearchitektur. Das Wasser am Ufer der Badischen Anilin- und Sodafabriken (BASF) war besonders eklig. Will sagen: Kleine, fiese Wellen, in denen man nicht schön rudern kann. Schön war es hingegen, als gegen Mittag der Himmel aufklarte, davor hatte es ein paar kurze Schauer gegeben. Der Bootssteg beim Wormser Ruder-Club "Blau-Weiß" hatte an diesem Samstag besonders viel unruhiges Wasser und lud nur zum sehr kurzen Verweilen ein.
Irgendwann fängt der Rücken an zu schmerzen, dann die Beine. Auf dem Steuermannssitz werden Kämpfe gegen die Müdigkeit ausgefochten. Als Mainz erreicht ist, ist es bis zur Mainzer Rudergesellschaft noch weit, sie liegt weit flussabwärts. Die MRG war zentrale Endpunkt-Anlaufstelle für alle, einige übernachteten dort. Bekannt ist sie für den "Nikolaus-Vierer", einer launigen Breitensportregatta über 3 Kilometer im Gigboot Anfang Dezember auf dem Altrheinarm beim MRG, der "Wachsbleiche".
Bis dahin viel Trubel; Musik und Kirmes am Ufer, ein Bootskamerad sprach von "Mainzer Fun-Meile". Ein paar Jugendliche riefen übermütig "Schneller!" zu den Teilnehmer von "All you can row". Sie wurden ignoriert. Die letzten Kilometer waren oft zäh: Blatt eintauchen, durchziehen, ausheben. Immer dasselbe. Wenigstens schien inzwischen die Sonne.
Insgesamt waren, so muss man bekennen, die Bedingungen recht gut: Viel Strömung und keine Hitze.
Weniger als 120 Kilometer ist keiner gerudert. Die meisten kommen bis nach Mainz (147km) oder Bingen (172km). Die diesjährigen Spitzenreiter sind jedoch nicht darunter. Landesruderverband-Wanderruderwart Werner Rudolph (bis nach Mainz gekommen) meint: "Ich möchte meine Hochachtung bekunden vor den Ruderern, die es bis nach Lahnstein geschafft haben und 229 km in einem Tag gerudert sind- das sind unter Einbeziehung aller Pausen ca. 15 km/h. Zu diesem großen sportlichen Erfolg meine Gratulation!" Die "Flying Dutchman", einem Doppelvierer des Karlsruher Rheinklubs ist das Boot, das es bis zur RG Lahnstein geschafft hat. Darin saßen Melanie Götz (Karlsruher Rheinklub), Gerhard Hoffmann (Kitzinger Ruderverein), Georg Moeser (Karlsruher RV Wiking), und Jochen Betten und Jörn Michel vom Stuttgart-Cannstatter Ruderclub. Einerfahrer Christian Klandt schaffte es übrigens bis nach Spay (221km).
Kleiner Wermutstropfen für den Verband: Ein LRV-Boot wird beim Rücktransport beschädigt, Werner Rudolph zog dennoch ein positives Fazit: "Das Grundkonzept von AllYouCanRow halte ich nach wie vor für interessant und für förderungswürdig seitens des LRVBW, weil damit insbesondere die mittlere Altersgruppe der Breitensportruderer, auch solche, die zwischen Leistungssport und Wanderrudern stehen, angesprochen wird."
Der nächste "All you can row"-Termin steht übrigens schon fest: Es wird der 18. Juni 2016 sein.