03. März 2017 | Panorama

Gewichtsmanagement im Rudern – Effektiv Zunehmen

„Ich nehme einfach nicht zu. Was kann ich tun?“ Diese Frage zaubert vielen von uns bestenfalls ein müdes Lächeln ins Gesicht. Allein der Gedanke an das Stück Torte, die Portion Currywurst mit Pommes oder den Sonntagsbraten mit Soße reicht bei manchem schon aus, sich in seiner Haut nicht mehr wohl zu fühlen und zu meinen, die Hose sei beim Waschen in der Weite deutlich eingelaufen. Der umgekehrte Fall, dass jemand nicht zunimmt, kommt seltener vor, ist aber gerade im Sport durchaus ein Thema. Denn für den Sport brauchen wir viel zusätzliche Energie. Gewichtsaufbau bedeutet langfristig Masse zulegen. Und diese Masse sollte bestenfalls aus Muskeln bestehen. Vor dieser Aufgabe stehen nicht nur Schwerathleten wie Ringer oder Boxer sondern auch manche  Ruderer.

Was heißt es, an Gewicht zuzulegen? Im Rudersport wie auch in den meisten anderen Sportarten ist eine gut ausgeprägte Muskulatur eins der wichtigsten Kriterien. Fettmasse wird eher als Ballast empfunden*. Die Leistungsfähigkeit im Sport ist jedoch wesentlich mit der verfügbaren Energie gekoppelt. Liegen Daten über die fettfreie Körpermasse des Athleten und Ernährungsprotokolle vor, lässt sich mathematisch bestimmen, ob die Energiezufuhr ausreichend ist oder nicht. Ein Gefühl von Schlappheit, kränkliches Aussehen, Gewichtsverlust und häufige Infekte sind einfache Marker für Trainer, Sportler und ggf. auch Eltern. Das Gespräch oder eine Beobachtung mit viel Fingerspitzengefühl durch Trainer, Sportkollegen und ggf. Eltern gibt oft mehr Aufschluss als eine Berechnung. Schlappheit und Unmotiviertheit können allerdings auch mal lästige Begleiterscheinungen der Pubertät oder Folgen von Stress, einer Infektion oder Überlastung sein.

Wieso ist es so schwer, schwerer zu werden?

Schubweises Wachstum: Jugendliche Sportler und zwar besonders oft Jungen wachsen phasenweise scheinbar ausschließlich in der Länge. Das dazu passende Körpergewicht stellt sich dann oft erst viele Monate später ein. Im Training werden jedoch Energie-Reserven dringend benötigt. Der Muskelaufbau verzögert sich bzw. Energie wird aus dem Abbau von vorhandener Muskulatur bezogen.

Häufige / intensive Trainingsumfänge / Regatten: Wenig förderlich für den Appetit sind hohe physische aber auch psychische Belastungen (flauer Magen), ungewohntes Essen auf Regatten mit schwer verdaulichem Essen (Pizza, Pommes etc.). Besondere Anforderungen an die Zufuhr hochwertiger Nahrung mit hoher Nährstoffdichte (optimales Verhältnis von Eiweiß, Kohlenhydraten, Fett, Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und sek. Pflanzenstoffen, schadstoffarm) sind nicht leicht zu erfüllen.

Wenig Zeit zum Essen: Schüler, Auszubildende, Studenten und berufstätige Sportler haben gleichermaßen das Problem, häufig unterwegs zu essen und womöglich nach einem anstrengenden Tag noch einkaufen und kochen zu müssen.

Kein Appetit nach dem Training / dem Wettkampf: manchen Sportlern fällt es schwer zu essen. Energiedefizite entstehen, die Regeneration verzögert sich.

Möglichst leerer Magen beim Training / Wettkampf: Wenn zu Trainingsbeginn das Mittagessen noch unverdaut im Magen liegt, gibt es Probleme. Verdauung und Muskeln rivalisieren um die Blutversorgung. Übelkeit und Schwäche können die Folgen sein.

Beim Abnehmen ist es wichtig, die Fettmenge im Essen herunterzufahren. Beim Zunehmen reicht es nun aber nicht, einfach mehr Fett zu essen. Fett macht satt, ist relativ schwer verdaulich und macht deshalb nur begrenzt Lust auf mehr Essen. Ein sinnvolles Trainingsprogramm mit mehr Kraft-, Kraftausdauer- und weniger reinen Ausdauereinheiten bildet die Grundlage. Regelmäßige häufige und kleinere Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten unterstützen die Energieversorgung und belagern den Magen nicht so lange. Glücklich kann sich schätzen, wer zuhause gut versorgt wird. Organisierte Mahlzeiten auch für unterwegs erleichtern den Alltag.

500 – 1000 zusätzliche Kalorien pro Tag hauptsächlich über zusätzliche Kohlenhydrate (Obst, Obstsäfte, Vollkornbrot, Haferflocken, Vollkornnudeln etc.) und Proteine (Fleisch, Fisch, Quark, Eier, Hülsenfrüchte) sollten möglich sein und das Gewicht steigen lassen. Oft reicht die Bereitschaft „so viel“ zu essen nur für ein paar Tage. Geduld hilft. Langsame stetige und nachhaltige Gewichtszunahme ohne Frust und Druck ist aber so möglich. Die Höhe der Zunahme ist dabei sehr individuell. Die Überversorgung mit Proteinen ist nicht nur ineffektiv sondern belastet den Körper. Vor allem Eiweißpräparate aus der sog. Sporternährungsbranche, die man für viel Geld als Pulver in Dosen kaufen kann, haben manchmal sehr zweifelhaften Ursprung und enthalten unerwünschte Begleitsubstanzen. Gesunde Vorsicht ist hier geboten! Wie für alle Leistungssportler gilt als empfohlene Proteinzufuhr 1,2 – 1,6g/ kg Körpergewicht.

Unser Speiseplan enthält mehr als genug Eiweiß nicht nur vomTier. Sehr gut verwertet werden Milch+Kartoffeln (Kartoffelpüree), Ei+ Kartoffeln, Getreide+Milch (Müsli), Hülsenfrüchte+Getreide (Linsen mit Spätzle), Getreide+Ei+Milch (Pfannkuchen). Dies sind nur einige wenige Beispiele für Speisen, die das Fleischprotein sogar übertreffen. Sie schmecken außerdem besser als Pulver und enthalten viele leistungsfördernde Vitamine und Mineralstoffe. Gemüse ist für die Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen unverzichtbar! Warme Speisen verlangen nicht so viel Verdauungsarbeit wie z. B. ein frischer Salat. Kurz kochen oder in wenig Fett dünsten oder braten spart Verdauungsenergie und der Magen fühlt sich nicht so voll an. Wichtig ist in solchen Phasen auch, die Vorlieben und Gewohnheiten des Sportlers einzubeziehen.

Als Zwischenmahlzeiten eigenen sich je nach Verträglichkeit und Geschmack z. B. ein Smoothie aus Gemüse und viel Obst mit Haferflocken, Quark mit Bananen, Nüsse, Trockenfrüchte oder ein paar Brote mit Schinken oder Käse. Schwer verdauliche Speisen sollten von allen Sportlern gemieden werden. Dazu zählen v. a. fettreiche, geräucherte Lebensmittel, Frittiertes, kohlensäurehaltige und eisgekühlte Getränke, rohes oder unreifes Obst, für manche auch blähendes Gemüse (Kohl, Rettich, Gurken, Paprika, Pilze, Hülsenfrüchte). Wie in jeder hochwertigen Ernährung hat Zucker dort nichts zu suchen. Besonderes Augenmerk sei hier auf die sogenannten Sportgetränke, Fitnessriegel und Nahrungsergänzungsmittel gerichtet. Auch alle Fastfood-Mahlzeiten können mit reichlich Zucker und seinen Verwandten (Maltodextrin, Fruktose, Galaktose, Saccharose, Glucosesirup etc.) punkten. Minderwertige Fette verstecken sich dort ebenso wie auch in den beliebten Wurstwaren. Also lieber verzichten!

Regenerationszeiten und viel Schlaf sind elementare Bestandteile im Leben der Leistungssportler. Gerade für sehr leichtgewichtige Athleten ist es unerlässlich, eine Mütze voll Schlaf zusätzlich zu nehmen und dabei nur ein Minimum an Energie zu verbrauchen. Eine gute Versorgung mit frischen hochwertigen Lebensmitteln, die idealer Weise aus der Region und aus Bio-Anbau stammen und schmackhaft zubereitet sind, trägt wesentlich zu optimalem Essen bei. Die Darmflora spielt hier eine lange Zeit unterschätzte aber sehr wichtige Rolle. Denn entscheidend ist letztendlich, was der Körper sich aus dem Nahrungsangebot herausfiltert. Viele Leistungssportler, Prominente aber auch weniger Prominente haben das inzwischen erkannt und handeln sogar danach. Ihr Gewinn ist neben den Erfolgen und der Leistungsfähigkeit im Sport oder auf der Bühne vor allem Lebensqualität und gut schmeckendes Essen.

 

* ohne Fett geht es nicht: Energielieferant und -speicher, Wärmeisolator, Polster für innere Organe, Träger lebensnotwendiger Substanzen, Baustoff der Zellwände

 

Quellen und weiterführende Literatur:

DSHS Köln: Unterlagen Seminar „Coach für Sporternährung“, 2014

DOSB: Sportgerecht einkaufen. Hrsg.: AG Ernährungsberatung an den Olympiastützpunkten; https://www.dosb.de/fileadmin/fmdosb/arbeitsfelder/leistungssport/Materialien/Medizin_Physio/Einkaufsfuehrer-fuer-Sportler.pdf

Brokjans, C. Gewichtsmanagement im Rudersport

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