Gewichtsmanagement im Rudersport
Immer wieder wird auf Risiken und Gefahren durch das „Gewicht machen“ bei Athleten hingewiesen. Auch im Rudersport gibt es einen zusätzlichen Gegner durch die Einteilung in Leicht- und Schwergewichte - die Waage. In Kampfsportarten, beim Gewichtheben oder Turnen stehen Athleten und Trainer in ähnlicher Weise vor der Herausforderung, zum Wettkampf ein bestimmtes Gewicht zu präsentieren und dennoch maximal leistungsfähig zu sein.
Oft sind es nur ein paar hundert Gramm, die die Waage zuviel anzeigt. Die Versuchung ist groß, dieses Übergewicht durch „Abschwitzen“ loszuwerden. Hohe Flüssigkeitsverluste verursachen nicht nur massiven Leistungsabfall, sondern bergen erhebliche Gefahren für den Körper, in seltenen Fällen sogar mit Todesfolge. Das Rehydrieren benötigt mehrere Stunden und ist durch schnelles Nachtrinken großer Mengen keinesfalls zu schaffen, es belastet den Körper zusätzlich.
Ein vernünftiges Gewichtsmanagement kann da vorbeugen – natürlich vorausgesetzt die körperliche Konstitution des Athleten entspricht der eines Leichtgewichts. Grundsätzlich also macht die Anpassung des Körpergewichts nur Sinn, wenn tatsächlich ein „Zuviel“ an Körpermasse in Form von Fett vorhanden ist.
Das Empfinden gerade junger Athleten für den eigenen Körper entspricht nicht immer den Tatsachen. Gerade weibliche Leistungssportler haben häufig ein permanentes Energiedefizit (Louks; 2004), weil sie sich zu dick finden. Jedem ist klar, dass ein Abbau von Muskelmasse für den Sport wenig nützlich sein kann. Widersprüchliche wissenschaftliche Studien, aus denen in Ratgebern, Apps und Medienberichten zitiert wird, steigern die Verunsicherung und verführen zu einem Kontrollwahn. Die Grenzen zu einer Essstörung sind schnell überschritten. Anorexie und Bulimie hinterlassen meistens dauerhafte Schäden, enden nicht selten tödlich. Der Weg zurück ist enorm schwer.
Wie nun kriegt man Übergewicht weg? Grundsätzlich muss die Energiemenge im Essen und Trinken runtergefahren werden. Regelmäßig zu essen ist aber trotzdem wichtig, um dem Hunger keine Chance zu geben. Je nach Essgewohnheiten sind die Ansatzpunkte für das „Energiesparen“ unterschiedlich.
Am meisten Energie liefern Fette mit ca. 9kcal/g. Eiweiß (Proteine) und Kohlenhydrate steuern ca. 4kcal/g bei. Alkohol trägt mit ca. 8kcal/g manchmal ebenfalls zur „Energieversorgung“ bei, sollte jedoch aus mehreren Gründen nicht im Speiseplan eines Leistungssportlers enthalten sein. Durchschnittlich ist ca. 1kg Gewichtsreduzierung pro Woche bei regulärer Trainingsbelastung realistisch. Dazu müssen pro Tag ca. 500kcal „eingespart“ werden. Je nach Kostitution können so einige Kilo abgebaut werden - natürlich immer mit Blick auf die Trainings- und Wettkampfleistung der Sportler.
Lässt die Leistung nach oder die Motivation oder die allgemeine Stimmung, muss genau überprüft werden, ob nicht einfach mal wieder richtige Mengen zu essen auf den Tisch müssen und man dann doch lieber bei den „Schweren“ startet.
Der Fokus beim Abnehmen richtet sich auf die Reduzierung der Fettmenge. Da Fett aber Vitamine und essentielle Fettsäuren enthält, zum guten Geschmack beiträgt und sättigt, darf man es niemals ganz aus dem Speiseplan streichen. Pflanzliche Öle (z . B. Olivenöl, Rapsöl) sind u. a. wegen ihres guten Fettsäuremusters zu bevorzugen. Gutes Eiweiß u. a. für den Muskelaufbau und -erhalt haben außer Fleisch, Fisch, Eiern, Milch und Milchprodukten auch Pflanzen zu bieten. Da vor allem tierisches Eiweiß oft in Gesellschaft von reichlichen Fettmengen vorkommt (Wurst, Käse, Fleisch, Fisch) sollten besonders pflanzliche Eiweißquellen genutzt werden. Gekochte Hülsenfrüchte (Linsen, Erbsen, Kichererbsen, Bohnen, Soja) gibt es in großer Vielfalt. Ebenso enthält Vollkorngetreide (Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Hirse, Mais, Reis, Quinoa, Amaranth etc.) gebacken, gekocht, gekeimt hochwertige Proteine. Auch Kartoffeln gehören zu den Eiweißlieferanten. Miteinander kombiniert (z. B. Reis mit Bohnen, Haferflocken mit Nüssen) ergeben die pflanzlichen Eiweiße sogar eine oft viel bessere Qualität für den Körper als Fleisch („biologische Wertigkeit“) und enthalten wenig Fett. Auch Nüsse liefern hochwertiges Eiweiß und wichtige essentielle Fettsäuren, eignen sich daher in nicht zu großer Menge trotz des relativ hohen Fettgehaltes gut als Snack. Eine erhöhte Eiweißzufuhr ist unwirksam! Hochleistungssportler benötigen im Schnitt max. 1,2 – 1,6g Protein pro kg Körpergewicht pro Tag (Mettler et al. 2010). Selbst ambitionierte Freizeitsportler sollten nicht mehr als 1g Protein/kg Körpergewicht zu sich nehmen. Zu viel Eiweiß belastet den Körper.
Kohlenhydrate nehmen wir hauptsächlich in verarbeiteter Form als Zucker, Mehl und Stärke zu uns. Die Quellen sind hauptsächlich Pflanzen aber auch Milch- und Milchprodukte. Verarbeitungsprozesse wie Kochen oder Backen machen sie schnell verdaulich, entziehen ihnen aber auch wichtige Begleitstoffe wie Mineralien, Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe. Da gehen die echten Leistungsförderer verloren. Sie wirken im Körper u. a. bei Immunabwehr, Regeneration, Hormonhaushalt oder Stimulation der Nerven mit. Allerdings sind sie in künstlich hergestellter Form nicht gut wirksam sondern nützen hauptsächlich den Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln. Ein Placebo-Effekt der Supplemente (Vitamin- und Mineralstoffpräparate etc.) ist allerdings manchmal nicht abzustreiten. Pflanzliche Kohlenhydrate aus wenig oder unverarbeitetem Obst oder Gemüse sind qualitativ höher zu bewerten als Fertigprodukte. Gemüse liefert grundsätzlich wenig Energie aber viele Leistungsförderer.
Viele Kräuter und Gewürze helfen bei der Steuerung der Körperfunktionen mit. z. B. Ingwer, Wacholderbeere, Lorbeer regulieren die Verdauungsfunktion und den Appetit. Die Abwehrkräfte stärken und entzündungshemmend wirken Ingwer, Kurkuma, Lorbeer, Muskat, Pfeffer. Gut für die Psyche (stimmungsaufhellend, krampflösend) sind Koriander, Nelke, Muskat Schleimlösend auf die Atemwege wirken Anis und Thymian.
Gewürze und Kräuter kann man dem Essen oder auch Sportgetränken zugeben.
Rezeptvorschlag Sportgetränk: 200ml Wasser aufkochen mit 2-3EL (Rohrohr-)Zucker (oder später mit Honig oder mit Obstsaft süßen), 1g Kochsalz, 1 Gewürznelke, 1EL Zitronensaft und einigen dünnen Scheiben einer Ingwerknolle. Diesen Sud kann man nach belieben auf einen Liter auffüllen. Dazu nimmt man heißes oder kaltes Wasser oder Mineralwasser oder Tee (grün, Kräuter). Der Zucker liefert hier schnelle Energie, Salz hilft gegen Muskelkrämpfe. Ausprobieren erwünscht!
Viel diskutiert wird die vegane Ernährung. Diese Ernährungsform ganz ohne Lebensmittel vom Tier ist auch für Leistungssportler geeignet, erfordert jedoch ein sehr hohes Maß an Wissen und gute Einkaufsmöglichkeiten.
Entscheidend für die Qualität unseres Essens ist immer auch die Frische, die Herkunft und die Zubereitung unserer Lebensmittel. Der DOSB (Deutsche Olympische Sportbund) hat dazu eine sehr praktikable Broschüre „Sportgerecht einkaufen“ (www.dosb.de) herausgegeben.
Zu einer hohen Qualität gehören
• schmackhaftes und qualitativ hochwertiges Essen
• dem Training (Art und Umfang) angepasst
• auf die Möglichkeiten des Sportlers (finanziell, zeitlich, geschmacklich etc.) zugeschnitten
• Fettmenge reduzieren => fettarme Proteinquellen nutzen (z. B. pflanzlich, mageres Fleisch / Fisch, magerer Käse, Quark, Buttermilch)
• hochwertige KH auswählen (Vollkorn, Obst), KH nicht reduzieren (Leistungsabfall)
• versteckte Kalorien (Zucker, Fett) aufspüren (in Fastfood, Sportgetränken, Fitnessriegeln etc.)
Einfach nur weniger zu essen ist keine gute Strategie. Darunter leiden in der Regel die Eiweißzufuhr und die Zufriedenheit.
Faustregel: Viel Gemüse und Obst, Eiweiß vernünftig, wenig Fett, mehrmals täglich trinken (hauptsächlich Wasser), Sportgetränke selbst zubereiten.
Gewichtsklassen dienen dazu, den Wettbewerb gerechter zu machen, in dem unterschiedliche Körpervoraussetzungen berücksichtigt werden. Die Waage als Ausscheidungskriterium sollte hier nur begleitend bei der Trainingsvorbereitung sein. Stress beim Wiegen bringt den Sportler nicht nach vorn sondern erhöht den Leidensdruck.
Gezielte, individuell angepasste Ernährungsstrategien können dem Leistungsabfall beim Training vorbeugen. Ein vernünftiges Gewichtsmanagement erhält die physische Leistungsfähigkeit sowie auch die mentale Gesundheit (Motivation). Ernährungstraining sollte Bestandteil des Sporttrainigs sein, denn das wichtigste Sportgerät jedes Athleten ist der eigene Körper.
Quellen und weiterführende Literatur:
DSHS Köln: Unterlagen Seminar „Coach für Sporternährung“,
2014 Danzglock, D.: „Risiken beim Gewicht machen“, Rudersport 7 / 2013
DOSB: Sportgerecht einkaufen. Hrsg.: AG Ernährungsberatung an den Olympiastützpunkten; 1/ 2011; www.dosb.de
Matthaei, B.: Gewürze. GU Verlag 2014