Nachruf für Dr. Frank Schepke
Dr. Frank Schepke hat uns, den Bootskameraden seines Olympia-Goldachter von Rom, und alle deutschen Ruderfreunde verlassen müssen: heimtückische Krankheit fällte den größten Mann. Er war unser ostpreußischer Riese und stets lächelnder Ruhepol - ein liebenswerter Gemütsmensch, der die Heimat seines Vaters und Königsberg nie vergaß. (Sein Großvater war Vorsitzender des dortigen Ruderclubs.)
Nach der Flucht und Schule in Kiel ruderte er 1952 im Jugendachter des Ersten Kieler RC auf der Bestenermittlung und überredete auch seinen Bruder Kraft zum Mitrudern beim ORRC Wiking in Kiel.
Um 1954 wurden die beiden vom Hochschultrainer Karl Wiepcke (ATV Ditmarsia) entdeckt und zu ihren ersten Studentensiegen in Schweden geführt. 1955 ging es bereits zu einem Studenten-Ländervergleichskampf nach Dünkirchen. Erstmalig durften die beiden die Nationalhymne zu ihrem Sieg erleben.
1956 stellte der Ditmarsen-Achter das schnellste westdeutsche Großboot. Der ostdeutsche Ruderverband lehnte damals leider ab, einen deutschen Gemeinschaftsachter zu den Olympischen Spielen in Melbourne zu schicken und so startete dort kein deutscher Achter. Man gewann jedoch in wechselnden Besetzungen wie auch in den folgenden Jahren viele Hochschulmeisterschaften - später auch Deutsche und Europameisterschaften. (1960 gewann Frank gar drei Deutsche Meisterschaften an einem Tag - in allen Großbooten!)
Von 1956 bis 1958 fuhren die Kieler Studenten wieder zur Frühjahrsregatten im Westen: In Ostende setzte sich dabei im Frühjahr 1958 ein Vierer o. Stm. aus zwei Kielern und Ratzeburger Studenten eher zufällig zusammen und fuhr ohne gemeinsames Training zum Sieg (mit Kraft Schepke im Boot). Die Mannschaft war von den Ruderern selbst gebildet worden. Man nahm das nicht besonders ernst: Erst als kurz darauf der Zweite des Rennens den amtierenden Europameister schlug, meinten wir: „Wir sind ja wohl gut!“ und man ließ den Vierer bestehen: Er wurde 1958 in Posen ungeschlagen Europameister in Posen. Das scheint eine ganz andere Geschichte - doch sie hatte Folgen für die deutsche Ruderei, da der leichtgewichtige Ratzeburger DM-Schülerachter (!) bei Gegenwind im Finale geschlagen wurde. Nach diesem Rennen wurde sogleich auf dem Bootsplatz in Posen ein neuer Achter um den siegenden Vierer o. herum geplant. Und da kommt wieder Frank ins Bild: Sein Bruder versprach, ihn wieder zu aktivieren - für diesen neuen Achter. Und so geschah es.
Die Presse spricht vom "Deutschlandachter"
Dieser Kiel-Ratzeburger Achter wurde im nächsten Jahr mit einem „historischen“ Kantersieg von über neun Sek. Vorsprung in Mâcon Europameister. Es war der überlegenste internationale Achtersieg aller Zeiten (seit 1924 zumindest). Dieser Goldachter, ab 1959 von der Presse etwas großspurig „Deutschlandachter“ genannt, sollte auf der Rennstrecke ungeschlagen bleiben - zunächst bis zum triumphalen ersten Olympiasieg eines deutschen Achters am 3. Sept. 1960 auf dem Albaner See bei Rom.
Frank durfte mit uns nun als deutsche Siegeshymne Beethovens Neunte erleben, die spätere und heutige Europahymne! (Diese war die Hymne der gemeinsamen deutschen Olympiamannschaft.)
Frank und sein Bruder waren tragende Säulen bei diesen bis dahin allergrößten Erfolgen der deutschen Achtergeschichte unter den Trainern Karl Adam und Karl Wiepcke. (Der sechsfache deutsche Meister Frank gewann 1961 auch noch die Europameisterschaft im Vierer mit Stm.)
Frank beendete sein Studium der Agrarwissenschaften und ging als Assistent für Technik in der Landwirtschaft in die Praxis, um danach in Kiel mit Prädikat zum Doktor der Agrarwissenschaft zu promovieren.
Frank Schepke baute auch ein eigenes Unternehmen in der Reinigungsbranche auf und kaufte sich später einen Hof bei Preetz/Holstein, den er als strikt ökologischer Biobauer avant la lettre betrieb und als Therapie-Hof für behinderte Kinder öffnete (zusammen mit seiner leider 2007 verstorbenen zweiten Frau Katrin, einer Kunsttherapeutin und bekannten Kinderbuchautorin). Frank betätigte sich auch sozial-wirtschaftlich, lokal- und finanzpolitisch, führte z.B. das Regionalgeld „Kannwas“ ein und interessierte sich wirtschaftsphilosophisch für gerechtere Wirtschaftsformen.
Seine elterliche Heimat und Geburtsstadt Königsberg ließen ihn nicht los: Noch vor zwei Jahren organisierte und leitete er eine Wanderfahrt des „Ruderclubs Deutschland“ auf dem Pregel. Er organisierte Stiftungsinitiativen und sammelte Gelder zum Kirchen-Wiederaufbau in Arnau/Ostpr. Er setzte sich für die ostpreußische Erinnerungskultur ein (zumal für seinen Vorfahren Theodor H. Schön, dem Ideengeber des preußischen Sozialreformers Frh. Vom und zum Stein) - und auch praktisch für kulturelle und ruderische Kontakte mit heutigen Bewohnern von Kaliningrad.
Allen, die ihn kannten, wird er unvergessen bleiben - besonders vermissen unseren „Fränkie“ wir, seine Achterkameraden des ersten Goldachters, von denen nunmehr nur noch die Hälfte lebt.
Hans Lenk