Olympiaprogramm 2020 verabschiedet
Das Programm der Olympischen Regatta 2020 in Tokio soll erstmals gleiche Medaillenchancen für Frauen und Männer beinhalten. Es wird um den Frauen-Vierer ohne erweitert, dafür entfällt der Leichtgewichts-Vierer ohne der Männer. Diesen Beschluss des außerordentlichen Kongresses des Weltruderverbandes (FISA) am 10./11.02.2017 in Tokio wird die FISA dem IOC mit der Bitte um Zustimmung übermitteln.
Im Jahr nach der olympischen und paralympischen Regatta kommen die Mitgliedsverbände der FISA zu ihrem außerordentlichen Kongress zusammen, der alleinig für Regeländerungen zuständig ist. In diesem Jahr hatten sich die Organisatoren der Olympischen Spiele 2020 zur Ausrichtung bereit erklärt. Mit 62 Verbänden war die Versammlung trotz der anstehenden Programmentscheidung nur durchschnittlich besucht, was sicher in der weiten Anreise für die Mehrheit der Verbände begründet ist.
Olympisches Programm soll die gleichen Rennen für beide Geschlechter beinhalten
Der Kongress bildete den Abschluss einer langen Serie an Beratungen, um die Konsequenzen aus der Agenda 2020 des IOC zu ziehen. Diese sieht im Kern ein eventbasiertes Programm, Universalität der Sportart und Geschlechtergerechtigkeit vor. Zudem steht Rudern unter besonderer Aufmerksamkeit, weil die Zahl der zu vergebenen Medaillen relativ hoch ist und Rudern die drittgrößte Gruppe an Athleten bei den Olympischen Spielen stellt. Aus dem IOC wurde bereits 2014 bekannt, dass man dort Gewichtskategorien außerhalb von Kampfportarten und dem Gewichtheben sehr kritisch sieht. Zwar wurde immer auch auf die Autonomie der Fachverbände in der Gestaltung des Programms verwiesen, die definitive Entscheidung liegt jedoch bei der Programm-Kommission des IOC. Seither wurde die Diskussion um die Leichtgewichtsbootsgattungen äußerst heftig geführt. Im Laufe der Zeit gelang es der FISA, beide LG-Doppelzweier als Bootsgattungen zu verankern, die für die Universalität des Sports von großer Bedeutung sind. Dies belegen die Daten für den Vierer ohne nicht in vergleichbarer Weise und die Bootsgattung stand zudem unter Druck, weil ein entsprechendes Angebot für Frauen fehlt. Das olympische Programm soll die gleichen Rennen für beide Geschlechter beinhalten. Somit würde die Beibehaltung des LG-Vierer ohne ein zusätzliches gewichtslimitiertes Rennen bedeuten. Nach allen Informationen hätte ein solcher Vorschlag das große Risiko bedeutet, dass durch das IOC alle vier Leichtgewichtsrennen mit der Auswirkung auf die Gesamtzahl der rudernden Aktiven ersatzlos gestrichen worden wären.
Zwischenzeitlich hatten sich zwei Vorschläge entwickelt. Das FISA-Council plädierte für die Einführung des Frauen-Vierer ohne und den Verzicht auf den LG-Männer-Vierer ohne, während Kanada, die Schweiz, Dänemark, China und Australien gemeinsam den Tausch des LG-Frauen-Vierer ohne gegen den offenen Männer-Vierer ohne favorisierten. Beide Vorschläge setzen die Geschlechterparität um. Die Debatte in Tokio begann jedoch mit einem Paukenschlag, als Kanada die Abkehr von dem gemeinsamen Vorschlag erklärte. Südafrika, Olympiasieger 2012 im LG-Vierer ohne, unterstützte ebenfalls den FISA-Vorschlag. Insgesamt 19 Nationen meldeten sich zu Wort. Gerade die Asiaten verwiesen auf die Bedeutung des Leichtgewichtsruderns für ihre Population und unterstützten den Alternativvorschlag. Mit 94 zu 67 Stimmen entschieden sich die Verbände in geheimer Abstimmung dann für den Vorschlag der FISA und damit die Einführung des offenen Frauen-Vierer ohne im Austausch mit dem LG-Männer-Vierer ohne. Auch der DRV stimmte für dieses Konzept. „Wir wollen das Leichtgewichtsrudern über die Doppelzweier absichern und bedauern den Verlust des attraktiven LG-Vierer ohne sehr“, so Dag Danzglock in Tokio. „Allerdings haben uns die Informationen aus der FISA, Konsultationen mit anderen Verbänden und ein Gespräch von Siegfried Kaidel mit dem IOC-Vorsitzenden Thomas Bach vom FISA-Vorschlag überzeugt“.
Steuerpersonen müssen nicht mehr dem Geschlecht der Bootsmannschaft angehören
Neben diesem Topthema lagen an beiden Sitzungstagen, die live auf YouTube verfolgt werden konnten, umfangreiche Änderungsanträge zu Statuten und Regelwerk vor. Der erste Tag war dabei traditionell der Diskussion gewidmet, während am Folgetag jeder einzelne Vorschlag zur Abstimmung stand. Neben redaktionellen und inhaltlich geringfügigen Änderungen gibt es durchaus Neuigkeiten von Gewicht. So erkennt der Weltruderverband zukünftig Kontinentalverbände an, was sich in Aktivitäten in Europa niederschlagen wird. Die Zahl der Stimmen pro Nation (bis zu drei) ist nunmehr davon abhängig, dass im Rahmen einer Quote 25 % der gemeldeten Boote einer Nation auf FISA-Meisterschaften von Frauen gerudert werden müssen. Damit soll deren die Teilhabe gefördert werden. Keine qualifizierte Zweidrittelmehrheit fand hingegen der Vorschlag, dass bei mehr als zwei Delegierten eines Verbandes beide Geschlechter vertreten sein müssen. Der DRV lehnte diesen Vorschlag aus Praktikabilitätsgründen ab. „Wir haben Sorge, dass dadurch die Gesamtzahl der Delegierten sinken wird“, so Dag Danzglock in seiner Begründung. „Es steht aber außer Frage, dass wir auch national an der Teilhabe von Frauen weiter intensiv arbeiten müssen“.
Die Steuerpersonen müssen nicht mehr dem Geschlecht der rudernden Mannschaft angehören und dürfen bis zu 15 Kg Gewicht ausgleichen. Im paralympischen Bereich wird ab sofort über die Distanz von 2000m gerudert. Dieser Vorschlag war vor vier Jahren noch knapp gescheitert und soll vergleichbare Teilhabe sichern. Grundsätzlich besteht zukünftig die Möglichkeit, für FISA-Meisterschaften ein Meldegeld zu erheben, wenngleich laut FISA-Schatzmeister Mike Williams „derzeit dazu keine Absicht besteht“. Der DRV stand mit seiner Ablehnung dieser Regelung gemeinsam mit der Schweiz allein auf weiter Flur. Die restriktiven Werberichtlinien werden etwas gelockert. Siegfried Kaidel: „Wir hätten uns mehr gewünscht. Der gemeinsame Antrag mit Slowenien hat das gezeigt, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Auf dem Boot ist seitlich nunmehr Werbung auf einer Fläche vom 500 Quadratzentimetern möglich, wobei sich die Zahl der Flächen an der Anzahl der Aktiven im Boot (bis zu acht) ausrichtet. Zusätzlich stehen auf Mützen und Socken Flächen für individuelle Sponsoren zur Verfügung, sofern Verbände und Aktive dies vereinbaren. Hier muss Werbung in einer Mannschaft nicht identisch sein! Die Möglichkeiten der Wettkampfrichter sind dem zonalen Einsatz ohne Begleiten des Rennens angepasst. International ist dabei neu, dass ein Ausschluss ohne vorherige Warnung erfolgen kann. An den Kongress im Nachgang zur WM 2017 in Sarasota (USA) wurden zwei Entscheidungen delegiert. Das zukünftige WM-Programm wird nach der im Juli erwarteten Entscheidung zu den Olympischen Rennen modifiziert. Auch hier sollen beide Geschlechter vergleichbare Medaillenchancen erhalten. Die Rennen für Leichtgewichte bleiben unangetastet. Zum Zielfotoentscheid laufen derzeit wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit den technischen Grenzen zu Entscheidungen wie im Männer-Einer in Rio befassen. Auf deren Basis soll die Regel angepasst werden.
Erarbeitung des olympischen Qualifikationssystems
Im Laufe des Jahres wird das olympische Qualifikationssystem erarbeitet und in Sarasota finalisiert, um es dem IOC zur Zustimmung vorlegen zu können. Hier zeichnet sich ab, dass die Quotenplätze in beiden Leichtgewichtsdoppelzweiern erweitert werden dürften. Dies zielt auf die Universalität durch zusätzliche Startmöglichkeiten insbesondere aus Asien und Südamerika ab. Die europäischen Verbände fordern eine eigene Qualifikationsregatta in den Kleinbooten, ohne Nordamerika und Australien. Gerade kleinere Nationen beklagen hier eine kontinentale Benachteiligung. Beide Überlegungen gehen zu Lasten der direkten Qualifikationsmöglichkeiten auf der WM 2019! Für die Achter liegt der Vorschlag auf dem Tisch, alle sieben Boote bereits 2019 zu qualifizieren. Dies soll dazu beitragen, dass sich ausgeschiedene Nationen kostengünstiger auf andere Bootsgattungen konzentrieren können. Für den DRV hat der Vorschlag, die Verbände von der Nachqualifizierung auszuschließen, die bereits 2019 mindestens 10 Boote qualifiziert haben, eine echte Relevanz. „Wir sind im Gespräch mit anderen großen Nationen und der FISA, um uns gemeinsam zu positionieren“, so Sportdirektor Mario Woldt.
Alle Informationen sind unter www.worldrowing.com abzurufen. Die Texte werden in den nächsten Wochen aktualisiert und veröffentlicht.
Im Anschluss an den Kongress bot sich die Möglichkeit, den vorgesehenen Ort des Olympischen Dorfs und der Regattastrecke zu besichtigen. Für die Aktiven werden die Wege deutlich kürzer als in Rio sein. Die Strecke selbst ist ein Kanal, der direkt am Meer in der Nähe des Flughafens Haneda zwischen künstlichen Inseln liegt. Das Gelände wird von einem Industriegebiet in ein Naherholungsgelände umgestaltet. Aufgrund der Uferbeschaffenheit dürfte mit Wellen zu rechnen sein und auch der Wind bildet ein Risiko. Sicher ist jedoch, dass Japan die Spiele als nationale Aufgabe betrachtet und sie perfekt und freundlich organisieren wird.