Quo vadis Ruderleistungssport?
Rudern in Deutschland hat Tradition. Rudern hat eine Tradition als stark leistungssportgeprägte Sportart, auch wenn mehr als 2/3 aller Ruderer im Breitensport und Wanderrudern beheimatet sind. Der Ruderleistungssport hat eine Tradition von zielstrebigem und erfolgsorientiertem Aufbau. Dieser Tradition ist der Verband verpflichtet. Der erfolgsorientierte Aufbau wird im DRV durch den Bereich Leistungssport mit dem Sportdirektor und den hauptamtlichen Trainern verantwortet und durch das für den Bereich zuständige Präsidiumsmitglied mit dem Ausschuss Leistungssport gesteuert, der gemeinsam mit dem Länderrat für Transparenz aller Prozesse und Entscheidungen sorgt. Zusätzlich ist die Aktivenvertretung eng eingebunden.
Der erfolgreichen Tradition folgend wurden klare Ziele für die Olympischen Spiele ausgerufen: Wir wollen in Tokyo 2020 in der Nationenwertung wieder unter die Top3 rudern und 2024 die Führung in der Nationenwertung übernehmen. Davon ableitend sieht der Aufbau für diesen und den kommenden Zyklus folgende Eckpunkte vor:
Die A-Nationalmannschaft
Im A-Bereich werden die Kader verstärkt und länger als bisher in gemeinsamen Gruppen trainieren, wie es im Bundesstützpunkt Dortmund seit Jahren vorbildlich praktiziert wird. Es werden weniger Ressourcen für unproduktive Tätigkeiten eingesetzt, eingesparte Zeit und Kosten aufgrund kürzerer Trainingswege können besser im Sinne des Sports verwendet werden.
Wir werden dieses Konzept auf alle Disziplingruppen ausdehnen und es betrifft im Kern alle Aktiven, die in olympischen Bootsgattungen starten können. Diese Zusammenführung entspricht der internationalen Entwicklung der führenden Rudernationen; für dezentrale Konzepte gibt es national wie international keine Evidenz.
Die disziplinführenden Bundesstützpunkte dafür sind:
- Ratzeburg/Hamburg – für Männer Skull und Leichtgewichte männlich/weiblich
- Berlin/Potsdam – für Frauen Skull und Frauen Riemen
- Dortmund – für Männer Riemen
Für die Auswahl dieser Standorte ist die vorhandene Infrastruktur, umfassende Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten und das in unserer Sportart notwendige Trainingsrevier maßgeblich.
Zum 1.11.2018 (21 Monate vor Beginn der Olympischen Spiele) sollen sich hier die Ruderrinnen und Ruderer zum täglichen Training einfinden, so dass in konkurrenzstarken Trainingsgruppen die finale Vorbereitung für die Zielwettkämpfe der Qualifikations-WM in 2019 und den Olympischen Spielen 2020 stattfinden kann. Die erste Hürde kommt dann nicht erst in 21 Monaten, sondern schon mit der Qualifikations-WM 2019, zu der für Europa deutlich verschärfte Qualifikationskriterien gelten werden.
Aktive, die im täglichen Training hier ansässig sind, werden auch weiterhin für ihre angestammten Heimatvereine fahren. An der Bildung der A-Nationalmannschaft waren in den letzten Jahren mehr als 50 Vereine beteiligt, ungleich mehr als in den meisten anderen Sportarten. Dies belegt die Breite in der Spitze in Deutschland und wird auch durch die Bundes- und Landesförderungen maßgeblich unterstützt.
Alle Beteiligten sollen frühzeitig wissen, wie der Weg in Zukunft aussehen wird, denn jeder einzelne Sportler und jede einzelne Sportlerin muss für sich mit Vorausschau die richtigen Weichen (z.B. Studium, Wohnung, Arbeitgeber/Ausbildungsstätte) frühzeitig stellen. Vielfältige Unterstützung wird hierbei von OSPs, Bundesstützpunkten und dem Verband angeboten.
Die Eckpunkte der erweiterten Konzentration wurden in den vergangenen Monaten in zahlreichen Diskussionsrunden vorgestellt, hinterfragt, diskutiert, erweitert bzw. verfeinert; zuletzt in einer zentralen Informationsveranstaltung zugänglich für alle Kadersportler.
U 23 - der Übergangsbereich in die Spitze
Für die notwendige Weichenstellung für 2024 legen wir einen hohen Stellenwert auf die Aufwertung und Intensivierung der Arbeit im U23 Bereich. Die Anzahl an Trainingsmaßnahmen wird erhöht wo möglich und die detailgenaue Planung wird durch einen eigens zuständigen Trainer weiter vorangetrieben. In diesem Bereich steht für jüngere Athleten die Ausbildung im Mittelpunkt. Sie orientieren sich in Richtung der Leitstützpunkte, wenn sie in der A-Mannschaft mitrudern wollen und entsprechendes Potential haben. Im Training werden sie mit ihren regionalen Gruppen an die Arbeit der Stützpunkte herangeführt. Sie bleiben Mitglied ihrer Vereine und können so immer auch vor Ort für ihren Sport werben und helfen, Mittel zu akquirieren.
Im Bereich U 19 wird die Arbeit in den Vereinen gestärkt
Hier bestehen weitreichende regionale Freiheiten zu entwickeln, zu testen und erste schnelle Kombinationen und Einzelathleten zu sichten. Es gilt nach wie vor: die Vereine bleiben die Stützen des Leistungssports.
Zukünftig qualifizieren sich Boote auf der DJM wieder direkt für die WM, verpflichtende Teilnahmen an Regatten sind gestrichen. Innerhalb der Regionalgruppen können sich örtliche Initiativen bilden und entwickeln.
Radikal sind die Eckpunkte und Einzelmaßnahmen des neuen Leistungssportkonzepts derweil nicht - und in einem System wie dem Ruderleistungssport auch nicht möglich, wo seit langen Jahren immer wieder sehr gute Arbeit geleistet wird und erheblicher Erfahrungsschatz vorherrscht. Andere Sportarten würden sich selber gerne mit den Strukturen und Erfolgen des Rudersports schmücken. Die Eckpunkte und die damit einhergehenden Maßnahmen haben vielmehr den Kern, das was gut läuft zu stärken und die Schwächen, die auch der deutsche Rudersport hat, zu minimieren.
Das Leistungssportkonzept des DRV ist vereinbar mit der Leistungssportreform des BMI/DOSB und damit die Grundlage, die Förderwürdigkeit des Rudersports auf allen Ebenen langfristig sicherzustellen. Diese reduziert die Kostenbeiträge für einzelne Vereine und demokratisiert den Spitzensport. Die Konzentration ermöglicht es, an den Standorten die bereits vorhandenen Strukturen weiter zu optimieren und die notwendigen Verbesserungen bereitzustellen.
Eine weitere Möglichkeit zur Diskussion des Leistungssportkonzepts mit allen Beteiligten ist für den 1.4.2017 im Rahmen der Langstrecken-Regatta in Leipzig geplant, zu der interessierte Vereine herzlich eingeladen sind.
Im Rahmen der aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Leistungssportreform des BMI/DOSB stellt sich sicherlich die Frage, ob die Zielorientierung an erfolgreichen Resultaten bei Olympischen Spielen noch zeitgemäß ist, oder ob nicht vielmehr eine Förderung in Breite oberste Maxime sein sollte. Solange der Erfolg eines olympischen Sportverbands in Deutschland aber an der Medaillenausbeute gemessen wird, legen wir mit unserer eigenen Zielsetzung für 2020 und 2024 und dem dafür vorgelegten Leistungssportkonzept dafür die richtige Grundlage.
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