Zur Umsetzung des Leistungssportkonzepts 2020/24
Der deutsche Leistungssport steht vor großen Herausforderungen, sollen die Erfolge der letzten Olympiaden 2020 in Tokio wenigstens bestätigt, wenn nicht ausgebaut werden. Die internationale Konkurrenz steigt und damit nehmen die Anforderungen an das Training und die Umfänge zu. Im Rudersport wird diese Entwicklung an den Medaillenspiegeln mit der Zahl der partizipierenden Nationen und den Teilnehmern an den Spitzenveranstaltungen deutlich. Dabei ist festzustellen, dass sich die meisten Nationen auf einzelne Disziplinen und Bootsgattungen konzentrieren und diese zentral vorbereiten. Hierbei spielt es keine Rolle, wo dort der Rudersport (Vereine, Schulen/Hochschulen, kommerzielle Zentren) traditionell verankert ist.
Rudern ist ein Mannschaftssport
Der deutsche Rudersport steht vor der Frage, auf diese Herausforderung zu antworten. Eine Option ist es, dem weltweiten „Goldstandard“ zu folgen und die Zahl gemeinsamer Trainingsfahrten auszubauen. In diese Einschätzung ablehnenden Debattenbeiträgen wird gerne auf Sportarten verwiesen, deren Mannschaftsleistung in der Addition von Einzelleistungen liegt. Dort lässt sich das Zusammenführen von Einzelathleten aber nicht mit der Mannschaftsbildung begründen. Vielmehr kommt auch dort dem Trainingsumfeld sowie der Umsetzung gemeinsamer Grundsätze und Methodik eine große Bedeutung zu. Die Mannschaftsbildung einer Schwimmstaffel oder Bundesliga-Mannschaft im Turnen ist anerkannter Weise mit der im Rudersport nicht vergleichbar. Rudern ist bekanntlich ein Mannschaftssport, bei dem es insofern auf die perfekte Abstimmung im Team ankommt. Dies setzt im hohen Umfang gemeinsames Training und Verständnis voraus. Damit kann auch verhindert werden, dass – wie in einer Süd-West-Deutschen Tageszeitung im Sommer formuliert wurde – der Partner erst auf den spezifischen Stil des Stützpunktes ausgerichtet werden muss. Auch die Ausgrenzung potentieller Ersatzleute wird reduziert. Daher ist die Zusammenführung der Athleten im Spitzenbereich aus sportfachlicher Sicht – aber auch aus Fairness gegenüber allen Athleten in unserem Verband – unbedingt geboten. Mündigen Athletinnen und Athleten muss dies frühzeitig signalisiert werden. Die Vorstellung, man könne konkurrierende Mittel- oder Großboote in den Regionen bilden, ist zumindest dann wenig zielführend, wenn nur der Sieger der nationalen Qualifikation international antritt. Dies mag in der lokalen Sicht ein reizvoller Ansatz sein, im Weltrudersport liegt jedoch für ein Erfolg eines solchen Konzeptes keine Evidenz vor. National sind in den letzten 40 Jahre derartige Ansätze im Übrigen weitgehend gescheitert.
Erfreulicherweise werden wir im Hochleistungssport durch die öffentliche Hand umfangreich unterstützt. Dies trägt dazu bei, dass der Leistungssport demokratisiert wird und alle Vereine partizipieren können. Die Alternative wäre die Abgabe der Aktiven an einzelne potente Vereine, die meist mit dem Verlust der Vereinszugehörigkeit verbunden ist. Auch diese Vereine brauchen die staatliche Unterstützung, um agieren können. Dies können beispielsweise ein angeschlossenes Landesleistungszentrum, Zuschüsse zur Infrastruktur oder Finanzierung von Trainer- oder Trainer-Lehrer-Stellen sein. Diese staatliche Unterstützung wird durch eine Zusammenführung in der Spitze nicht gefährdet, denn strukturell ist sie in der Regel auf die Nachwuchsarbeit ausgerichtet.
Internationale Wettbewerbsfähigkeit erfordert Neuordnung des Leistungssports
Gleichwohl gilt es, in der Gesamtausrichtung die unterschiedlichen Interessen zusammenzuführen. Hierzu leistet der Arbeitskreis Leistungssportkonzept einen wichtigen Beitrag. Der DRV-Vorstand hat sich in den Beratungen bewusst zurückgehalten, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, beeinflussen zu wollen. Die Vorschläge des AK werden im Herbst beraten und mit dem Sachverstand weiterer in der DRV-Satzung vorgesehener Gremien und den hauptamtlichen Expertinnen und Experten erörtert. Allen Beteiligten ist bewusst, dass die Interessen und Betroffenheit höchst unterschiedlich sind. Bisher ist es Konsens, dass der leistungssportliche Erfolg im Vordergrund stehen soll. Die Umsetzung neuer Elemente des Leistungssportkonzeptes auf der Bundesebene ist derzeit verzögert. Dennoch wäre es fahrlässig, die dortigen Überlegungen nicht zu betrachten und in die Planungen einzubeziehen. Der deutsche Sport steht vor der Notwendigkeit einer Neuordnung, soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten werden. Trotz der aktuell nicht abgeschlossenen Debatte wird es daher zur Neuorganisation kommen müssen. Hierfür haben Bund und Länder, DOSB, Landessportbünde und Sportfachverbände die Richtung vereinbart. Zur Gestaltung besteht zweifellos noch Handlungsbedarf und deshalb ist die Neujustierung des Zeitplans nachvollziehbar und sinnvoll.
DRV will Debatte aktiv führen
Zwar wird der Höchstleistungssport mehrheitlich in der Bevölkerung freundlich begleitet und Erfolge werden kurzfristig registriert, jedoch lassen sich Spitzenveranstaltungen außerhalb der Zuschauersportarten in Deutschland kaum noch ausrichten. Die Kosten werden dabei ebenso hinterfragt, wie die tatsächliche oder vermeintliche Intransparenz der Organisationen. Insoweit muss der deutsche Sport sehr darauf achten, die politische Rückendeckung und damit verbundene Finanzierung nicht zu verlieren. Hierzu sind internationale Erfolge ohne Zweifel notwendig. Der DRV ist daher gut beraten, wenn er den Prozess gestaltet und die Debatte aktiv führt. Ein Abbrechen oder Ausscheren des deutschen Rudersports wäre kontraproduktiv für unsere Athletinnen und Athleten in den Nationalmannschaften und den gesamten Rudersport.