Coastal Rowing erobert die Olympische Bühne
Innovation, Action und Chancen für den Rudersport
Seit 2018/2019 experimentiert die Ruderwelt mit einer völlig neuen Sportart und konkret ihrer Unterdisziplin - dem Beach Sprint. Bundestrainer Adrian Bretting erklärt, wie das Konzept, das bereits den Sprung ins olympische Programm für 2028 in Los Angeles geschafft hat, den traditionellen Rudersport neu definiert und gleichzeitig frischen Wind in die mediale Vermarktung bringt.
„Coastal Rowing ist grundsätzlich Rudern auf dem Meer, im Brandungsbereich“, erläutert Bretting, „aktuell im Fokus aber steht der sogenannte Beach Sprint. Es geht um Schnelligkeit, Technik und taktisches Geschick – und das alles in einem kurzen, intensiven Wettkampf, bei dem innerhalb von Minuten ein Sieger feststeht.“
Weit mehr als nur Rudern ist hier gefragt
Action & Vielfalt: Die Athlet:innen starten am Strand mit einem Lauf, steigen in ihr Boot und meistern einen Slalom-Parcours. Neben der klassischen Ruderleistung sind hierbei technische Fertigkeiten wie das Navigieren des Bootes mit Hilfe der sogenannten Boathandler sowie das schnelle Ein- und Aussteigen gefragt.
Knockout-Format: Die Wettkämpfe sind so konzipiert, dass Entscheidungen schnell fallen. „Du bist am Start und drei Minuten später steht fest, wer in die nächste Runde einzieht, bzw. ausscheidet– ein echtes Eins-gegen-Eins-Format“, so Bretting.
Diese innovative Mischung aus verschiedenen Elementen spricht vor allem die jüngere Generation an, die neben Tradition, Entertainment und rasante Entscheidungen schätzt. „Tradition ist natürlich sehr schön, zählt mit Blick auf Olympischen Spiele aber vielleicht nicht mehr so sehr“, sagt Bretting. Mit Coastal Rowing reagiert der Weltverband World Rowing auf die sich wandelnden Ansprüche im Sport und nutzt gleichzeitig das Potenzial, das in der Kombination mehrerer, actionreicher Aspekte steckt.
Neue Chancen für den deutschen Rudersport
Mit der Aufnahme von Coastal Rowing in das olympische Programm wird ein deutliches Zeichen gesetzt: Zum ersten Mal geht neben den klassischen 2000-Meter-Rennen, die in Los Angeles auf Grund der lokalen Gegebenheiten einmalig aber auf 1500 Meter verkürzt werden müssen, eine wirklich neue Ruder-Disziplin in den Olympiasport.
Maximale Effizienz: Beach Sprint dreht sich um einen verhältnismäßig kleinen Athlet:innen-Kreis – zwei Männer und zwei Frauen, die jeweils den Einer und den Mixed-Doppelzweier besetzen. „Mit vier Athlet:innen haben wir bei den Olympischen Spielen, sofern wir uns qualifizieren, drei Medaillenchancen – fast das Maximum, was man aus dieser Personenzahl herausholen kann“, erklärt Bretting.
Gezielte Förderung: Dank eines starken Athlet:innenpools, der im klassischen Rudern in Deutschland existiert, breiter öffentlicher Förderung seit diesem Jahr und moderner Trainingsmethoden steht der Verband gut da. Dazu eröffnen sich gerade für DRV neue Kooperationsmöglichkeiten mit Institutionen und Partnern aus anderen Sportarten. Exemplarisch hierfür die Ausrüsterpartnerschaft mit dem aus dem Segelsport stammenden Kleidungshersteller Zhik. „Wir rennen hier gerade offene Türen ein. Alle sind angetan von dieser einmaligen Situation, eine neue olympische Disziplin von Beginn an zu gestalten“, so Bretting. Ein erstes Selektionsevent findet kommendes Wochenende im Olympischen Trainingszentrum in Kienbaum und ein Trainingslager direkt im Anschluss in Fano in Italien statt. Beide Maßnahmen sollen die spezifischen Anforderungen des Coastal Rowings testen und die besten Athlet:innen für die Saison 2025 herausfiltern.
Neben den vielversprechenden Nachwuchsathlet:innen werden in Kienbaum auch einige bekannte Gesichter der klassischen Ruderwelt erwartet. So stellen sich unter anderem Torben Johannesen (RC Favorite Hammonia) (Olympiateilnehmer M8+ Paris 2024) und Moritz Wolff (Berliner RC) (Olympiateilnehmer M4x Paris 2024) der Herausforderung Coastal Rowing. Auch Lucas Schäfer (Marburger RV), der bereits 2016 im Leichtgewichts-Vierer bei Olympia an den Start ging, wird dabei sein. Zudem treten mit Franz Werner (Pirnaer RV) (Vierter der Beach Sprint WM 2024) und Karl Schulze (Berliner RC) (Dritter Beach Sprint WM 2023, Olympiasieger M4x 2012 & 2016) zwei Athleten an, die bereits wertvolle Erfahrungen im Beach Sprint gesammelt haben.
Auch bei den Frauen sind erfahrene Athletinnen vertreten: Sophie Leupold (Pirnaer RV), die 2024 noch im Frauenachter um das Olympiaticket kämpfte, wird in Kienbaum starten. Ebenso ist Julia Tertünte (RV Münster), die 2024 beim Beach Sprint im Einer unter die Top 8 kam und erst im Viertelfinale gegen Neuseelands Olympiasiegerin Emma Twigg ausschied, mit dabei.
Was erwartet die Athlet:innen in Kienbaum?
Das Auswahlverfahren ist darauf ausgelegt, die Fitness, die Vielseitigkeit und das schnelle Reaktionsvermögen der Athlet:innen zu testen. Neben klassischen Ruderelementen kommen hierbei auch folgende Tests zum Einsatz:
- 30-Meter-Lauf-Sprint: Prüfung der Explosivkraft und schnellen Antrittsleistung
- 1000-Meter-Ergometer-Test: Auswertung der Grundlagenausdauer über die relevante Wettkampfdistanz
- Eigens entwickelter Run-Row-Run-Test: Anpassung an die dynamischen Anforderungen des Beach Sprints und körperliche Belastung ab dem Viertelfinale.
- 500-Meter-Zeitfahren auf flachem Wasser: Kombination aus Rudertechnik und der Bootsdynamik mit den Coastal-Booten.
Diese innovativen Tests sollen sicherstellen, dass die ausgewählten Athlet:innen den vielfältigen Anforderungen des Beach Sprints gerecht werden und sich optimal auf internationale Wettkämpfe vorbereiten können. „Wir planen diese Maßnahmen bewusst früh im Jahr, sodass unseren Athlet:innen jederzeit die Möglichkeit offensteht, zum klassischen Rudern zurückzukehren – und so weiterhin uneingeschränkt an den dortigen Leistungsüberprüfungen, wie bspw. der Kleinbootmeisterschaften teilzunehmen, falls Coastal nicht ihren Vorstellungen entsprechen sollte.“, erklärt Bretting das Vorgehen.
Internationaler Wettkampf und Zukunftsausblick
Auch auf internationaler Ebene entwickelt sich Coastal Rowing rasant. Bretting verweist auf das breite Spektrum der teilnehmenden Nationen:
Bei den Frauen etwa zeigt sich Österreich mit Athletinnen wie Magdalena Lobnig, während im Männerfeld die Athleten aus den USA, Spanien und Litauen als stärkste Konkurrenten gelten.
Zudem seien auch Länder wie Italien und Tunesien nicht zu unterschätzen. Eine tunesische Sportlerin beispielsweise viermal in Folge Junioren-Weltmeisterin.
„Wir stehen aber auch nicht ganz bei Null. Bei der WM in Genua 2024 landeten alle deutschen Athlet:innen in der K.O.-Runde. Franz Werner (Pirnaer RV) verpasste mit Platz vier nur knapp eine Medaille im CM1x. Wir müssen aber definitiv zulegen. Alle Nationen stehen voll auf dem Gaspedal“, so Bretting, und der Wettkampf um die olympischen Medaillen wird intensiv.
Coastal Rowing bietet weit mehr als nur einen frischen Wind im Rudersport. Es verbindet klassische Elemente mit modernen, actionreichen Anforderungen und spricht damit neue Zielgruppen an. Adrian Bretting und sein Team sind fest entschlossen, diese neue Herausforderung anzunehmen und den Deutschen Ruderverband auch in Zukunft auf der internationalen Bühne zu vertreten – schnell, innovativ und mit voller Leidenschaft.