Defizite auf dem internationalen Parkett: Weckruf für Nachwuchstalente?!
Die jüngste U19-Ruderregatta in München am 04. und 05. Mai 2024 hinterließ gemischte Gefühle, wobei die negativen Aspekte leider überwogen. Trotz des - zu Beginn der Wintersaison erlaubten - Optimismus sahen sich die Nachwuchssportler:innen mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, insbesondere im Hinblick auf die Abstände zur internationalen Konkurrenz wie Großbritannien, Polen, Tschechien und Österreich.
Die Befürchtungen, die in manchen Disziplinen auf Basis der bisherigen Maßnahmen und Leistungen gesetzt wurden, wurden bedauerlicherweise insbesondere im Riemen-Bereich bestätigt. Die deutschen Ruder:innen konnten in München nur teilweise den eigenen, traditionell hohen Ansprüchen, gerecht werden. Hinzu kamen Widrigkeiten wie Abiturtermine oder Krankheitsausfälle, die die sowieso schon kurze Vorbereitungszeit zwischen der Leistungsüberprüfung in Krefeld und der Regatta in München zusätzlich erschwerten.
Leistungsdefizite in den Riemen-Disziplinen deuteten sich für U19-Bundestrainer Adrian Bretting bereits zur Leistungsüberprüfung der Junior:innen in Krefeld an. „Hier zeigte sich besonders der männliche Skullbereich schon recht leistungsstark. Im weiblichen Skullbereich gab es auch Lichtblicke, wie z.B. der Doppelzweier mit Laura Bussian und Anna Keller aus Hanau und Halle. Da kamen die Riemen-Boote auch im Relationsvergleich leider nicht heran“, so Bretting rückblickend zur ersten Standortbestimmung in Krefeld. Aus Sicht von Bretting bestätigte sich der Gesamteindruck der Riemenbereiche auch in München. Eine Ausnahme bildete jedoch der neuformierte Zweier ohne mit Maximilian Brill (Speyer) und Lars Trampert (Karlsruhe), die den Junioren-Zweier ohne am vergangenen Wochenende gewinnen konnten. „Dieses Resultat war sehr erfreulich. Die Jungs sind erst vor zwei Wochen in den Zweier gestiegen und konnten auf Anhieb in München im Vorlauf und im Finale abliefern. Das hat mich gefreut", so Bretting. Ebenso bewertete Bretting die Leistung im Juniorinnen-Vierer-ohne als einen Fortschritt: „Die hessische Kombination des Südteams zeigte sich in München schon sichtbar verbessert im Vergleich zu Krefeld. Allerdings müssen wir hier auch so ehrlich sein und einen gewissen Bahnvorteil im Finale anerkennen. Beim seitlichen Gegenwind hatte die Crew gerade im Bereich der Tribüne schon einen Vorteil. Wenn hier aber die Entwicklung der vergangenen zwei Wochen fortgesetzt wird, wäre ich verhalten optimistisch, dass wir uns hier auch an das international notwendige Niveau heranarbeiten können.“ Mit den Siegerinnen der Leistungsüberprüfung aus Krefeld war der Vierer allerdings auch stark besetzt, was zur Folge hatte, dass kein deutscher Zweier-Ohne aus dem A-Finale der Leistungsüberprüfung am Samstag in München am Start war. „Unser Fokus im U19-Bereich liegt auf der Kleinbootentwicklung. Ich hoffe, dass wir hier in den kommenden Wochen noch Kombinationen finden werden, die sich der Herausforderung stellen und insbesondere den langfristigen Mehrwert darin erkennen,“ appelliert Bretting.
Wie schon im Junioren-Vierer, mussten sich die deutschen Achter der internationalen Konkurrenz geschlagen geben. Die ersten beiden Plätze gingen dabei an Boote aus Großbritannien, Tschechien und Österreich. Lediglich die Achter der Nord-Ost-Regionalgruppe konnten sowohl im männlichen, wie auch im weiblichen Bereich als Dritte aufs Podest springen. Allerdings auch mit gehörigem Abstand zu den Plätzen 1 und 2.
Doch es gab auch erfreuliche Resultate. Die männlichen Skuller scheinen aktuell das Aushängeschild der deutschen U19-Altersklasse zu sein. So gewann Oscar Krause (Ratzeburg) die Silbermedaille im Junioren-Einer. Der seitlich aufkommende Gegenwind veranlasste die Schiedsrichter die Bahnen nach den Vorergebnissen zu setzen, sodass Krause hier leider nicht die beste Ausgangsposition im Finale vorfand. Er nahm diese Aufgabe allerdings an und zeigte eine solide Leistung mit einem verdienten zweiten Platz. „Ich bin mir sicher, dass wir auf der Nebenbahn auch den Abstand zum siegreichen Ruderer aus Polen hätten verkürzen können,“ so Bretting. Im Junioren-Doppelzweier gab es sogar ein komplett deutsches Podest. Es gewannen Ole Hohensee (Stralsund) und Felix Krones (Dresden) vor Simon Gimplinger (Hanau) und Jonathan Ebel (Hannover). Bronze ging an Mads Schmied (Potsdam) und Anthony Hobert (Pirna). „Das war natürlich sehr erfreulich mit anzusehen. Einer unserer gesetzten Doppelzweier landete zwar knapp im B-Finale. Zeigte aber auch hier eine starke Leistung und gewann souverän. Ich bin gespannt, wie der nationale Kampf um die Direktqualifikationen im Einer und Doppelzweier weiter- und ausgehen wird. Hier haben wir definitiv aktuell ein recht hohes Niveau und können optimistisch in die nächsten Wochen gehen“, zeigt sich Bretting zufrieden. Dies bestätigte auch das Rennen im Doppelvierer am Sonntag. Hier gab es einen deutschen Doppelsieg vor den internationalen Booten aus Tschechien und Großbritannien.
Auf den weiblichen-Skullbereich schaut Bretting mit gemischten Gefühlen: „Mit Julia Stoeber (Kettwig) ging unsere Siegerin aus Krefeld und Vorjahres-JWM-Vierte an den Start. Obwohl sie mitten in ihren Abiturprüfungen steckt. Das rechne ich ihr und ihrer Trainerin hoch an. Der zweite Platz im Finale war vom Resultat sicher in Ordnung. Der Abstand zur siegreichen Ruderin aus Tschechien allerdings etwas zu hoch. Julia weiß aber was sie noch besser machen kann und ich bin mir sicher, wenn erstmal das Abitur in der Tasche ist, gibt das noch einmal zusätzlichen Aufwind.“ Sehr zufrieden war Bretting mit der Leistung von Laura Bussian (Hanau) und Anna Keller (Halle) im Juniorinnen-Doppelzweier: „Die beiden haben den guten Eindruck aus Krefeld in München auch bei Gegenwind bestätigt. Der zweite Platz gegen ganz starke britische Ruderinnen war hochverdient. Sie sind erst einmal das nationale Maß in dieser Bootsklasse. Ich hoffe, dass da noch weitere deutsche Boote den Abstand verkürzen können. Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft. In München schaffte leider kein weiterer Doppelzweier den Sprung ins A-Finale.“ Nach den genannten erfreulichen Resultaten am Samstag der Regatta kam die Ernüchterung dann doch am Sonntag bei den Rennen der Doppelvierer. „Hier haben wir an vielen Stellen Lehrgeld bezahlt“, so Bretting. Das beste Resultat erzielte die Kombination L. Bussian (Hanau), A. Keller (Halle), Pauline von Hobe-Gelting und Johanna Hennigsen (beide Kappeln) mit dem fünften Platz im A-Finale hinter vier internationalen Booten.
Der U19-Bundestrainer zieht insgesamt ein ernüchterndes Fazit: „Auch wenn wir uns noch am Anfang der Saison befinden und noch optimistisch bleiben können, müssen wir einsehen, dass wir derzeit unseren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden. Alle beteiligte Personen müssen sich bewusst sein, dass nationale Erfolge und Platzierungen im vorderen Feld nicht automatisch bedeuten, dass wir international konkurrenzfähig sind. Wir müssen uns dringend rudertechnisch verbessern, da bei vielen seit Wochen kein Fortschritt erkennbar ist.“
Trotz der sportlichen Rückschläge lobt Bretting die Organisation der Regatta. Die Nutzung webbasierter Tools funktionierte reibungslos, und die kurzen Informationswege mit den Schiedsrichtern trugen zum reibungslosen Ablauf bei. Ein besonderer Dank geht an das Organisations-Team in München für ihre Hilfsbereitschaft.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die 1. Internationale DRV-Juniorenregatta eine ernsthafte sportfachliche Bestandsaufnahme erfordert. Die aktuellen Herausforderungen sollten als Ansporn dienen, um die nationale Leistungsfähigkeit auf internationalem Parkett zu steigern. Es bedarf eines klaren Blicks auf die Hausaufgaben, die noch zu erledigen sind, um die deutschen Nachwuchsruder:innen wieder in allen Disziplinen an die Spitze zu führen.