DRV bekommt einen hauptamtlichen Vorstand
Mit einer neuen Satzung und einer neuen Struktur geht der Deutsche Ruderverband in die Zukunft. Beim 66. Außerordentlichen Deutschen Rudertag am Samstag (29. Oktober 2022) in Hannover stimmten die 144 Delegierten dem Vorschlag für ein neues „Grundgesetz“ des DRV zu, das eine Professionalisierung der Verbandsführung ermöglicht. Die neue Struktur mit einem hauptamtlichen Vorstand, der sich um das operative Geschäft kümmert, und einem neu zusammengesetzten Präsidium als Aufsichtsgremium wird ab Ende 2024 wirksam. Bis dahin sind alle Wahlämter festgelegt. Bereits seit dem vorangegangenen Rudertag vor einem Jahr in Schweinfurt wird der Leistungssport im Hauptamt vollverantwortlich geführt.
90,67 Prozent der Stimmen für neues Grundgesetz
Bei der Abstimmung über die Neufassung der Satzung wurde die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit klar übertroffen. 90,67 Prozent der Stimmen entschieden sich dafür und sorgten nach den vorangegangenen Diskussionen für ein eindeutiges Ergebnis. Mit Nein stimmten 6,15 Prozent, 3,18 Prozent enthielten sich. „Nach dem schlechten Abschneiden bei der Europameisterschaft habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Morddrohung erhalten. Wäre es heute mit der neuen Satzung schiefgegangen, dann wäre ich sofort zurückgetreten“, sagte DRV-Vorsitzender Moritz Petri am Ende des Rudertages. „Umso mehr freut es mich, dass wir alle den Mut zu einem Aufbruch nach vorne gefunden haben.“
Petri hatte zu Beginn des Rudertags daran erinnert, dass er vor seiner Wahl in Schweinfurt ein Grundgerüst für eine moderne Satzung vorgestellt habe - mit einem ehrenamtlichen Aufsichtsgremium, einem hauptamtlichen Vorstand und einer ständigen Konferenz, bestehend aus Vertretern von Landesverbänden und Vereinen. Weitere Gremien wie den Beirat Leistungssport, die Regelkommission und den Länderrat habe seine Vorstellung damals nicht mehr vorgesehen. „Ich gestehe ein, dass das etwas zu radikal war“, sagte der Vorsitzende. Was nun als Satzungsentwurf vorliege, sei das Ergebnis der Arbeit der nach Schweinfurt einberufenen Satzungs-AG, aus vielen Info- und Dialogforen, wo jeder sich einbringen habe können, und zahlreichen Sitzungen mit den Gremien. „Ich bin keineswegs sauer“, betonte Petri, „denn das vorliegende Ergebnis ist Ausdruck einer demokratischen Willensbildung.“ Der Kern seiner Vorstellungen finde sich noch immer in der jetzt beschlossenen Satzung: „Die tagtägliche Führung wird in das Hauptamt übergeben mit allen Konsequenzen, das Präsidium zieht sich auf eine Aufsichtsfunktion zurück. Anders ist es heute nicht mehr leistbar. Ich scheitere durch den Zeitmangel seit einem Jahr jeden Tag an meiner Vorstellung von Führung, das ist extrem frustrierend und schwierig.“
Änderungsanträge von verschiedenen Seiten
Änderungsanträge gab es durch das DRV-Präsidium und die Satzungs-AG selbst, den Ruderclub Lindau, den Landesruderverband Baden-Württemberg und den Nordrhein-Westfälischen Ruder-Verband. Dabei ging es zu einem Großteil um Präzisierungen. Anträge, die Übertragung von Stimmen durch nicht anwesende Vereine beim Rudertag abzuschaffen, wurde ebenso abgelehnt wie die stärkere Begrenzung der übertragbaren Stimmen (weiter 15). Eine längere Diskussion entspann sich um den Lindauer Antrag, die Aufgabengebiete der künftig vier Vizepräsidenten weiter in der Satzung festzuschreiben. Die Auffassung, dass dies der künftigen Aufgabe des Präsidiums als Aufsichtsgremium widerspräche, setzte sich jedoch durch.
Eler von Bockelmann (Münchner Ruder-Club), auch Mitglied der Satzungs-AG, forderte auf: „Schaut nicht auf das Verhindern, sondern gebt der Chance einen Raum“. Danach zog Lindaus Hans-Jürgen Kramp alle restlichen Anträge seines Vereins zurück, um genügend Zeit für das seiner Meinung nach zentrale Thema, den Zustand des Leistungssports, zu haben.
Weiter Fachressorts mit festen Themen
Das Thema der Fachressorts benötigte dann jedoch viel Zeit. Wegen der schwierigen Diskussionslage gab es zwischendurch auch eine sinnvolle Unterbrechung. Der Satzungsentwurf beinhaltete, das Fachressorts und ihre Themen nicht mehr verbindlich festgelegt werden und jederzeit aufgelöst werden könnten. Der gemeinsame Änderungsantrag der beiden Landesruderverbände Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, als ständige Aufgabenfelder Wettkampfsport, Breitensport und Wanderrudern in die Satzung zu schreiben und gleichzeitig die Entscheidung der Auflösung dieser Ressorts weiterhin beim Rudertag zu belassen sowie die Vorsitzenden der Fachressorts vom Präsidium im Benehmen mit dem Vorstand zu ernennen, fand als Meinungsbild eine große Mehrheit (59,60 Prozent). Der Satzungsentwurf sah weiterhin vor, dass die Vorsitzenden der Fachressorts nicht mehr vom Rudertag gewählt, sondern vom Präsidium ernannt werden. Der Antrag des Landesruderverbands Baden-Württemberg, die Vorsitzenden der Ressorts weiterhin vom Rudertag wählen zu lassen, fand keine Mehrheit und somit auch nicht Eingang den endgültigen Satzungsentwurf.
Satzungs-AG arbeitet Änderungen ein
Die zunächst offene Frage, ob der gemeinsame Änderungsantrag dann Einzug in die Endfassung finden werde, sorgte für Diskussionen. Justitiar Stefan Felsner schuf Klarheit und sprach sich im Einklang mit der Regelkommission für dessen Berücksichtigung aus. In einer weiteren Pause arbeitete die Satzungs-AG - bestehend aus dem Vorsitzenden Dr. Lars Koltermann, Eler von Bockelmann, Gunnar Hegger, Dr. Florian Eichner und Christoph Brendel - alle Änderungsanträge, die eine Mehrheit gefunden hatten, in den endgültigen Satzungsentwurf ein. Er wurde den Delegierten im Saal per E-Mail zugestellt, von Bockelmann erläuterte ihn noch einmal.
Dieser vollständige Satzungsentwurf wurde vom Präsidium als sein Antrag zur Abstimmung gestellt und fand die beschriebene überzeugende Mehrheit. So werden als ständige Aufgabenfelder von Fachressorts nun Wettkampf, Breitensport, Wanderrudern und Bildung genannt. Die Bildung weiterer Ressorts ist möglich. Die Vorsitzenden der Fachressorts werden vom Präsidium im Benehmen mit dem Vorstand ernannt.
Nicht mehr behandelt werden konnten beim letzten Rudertag in Schweinfurt fünf Anträge des Clubs für Wassersport Porz zur Änderung der Sicherheitsrichtlinie, unter anderem mit einer verbindlichen Rettungswestenpflicht für alle minderjährigen Ruderer während der Kaltwasserzeit. In der Diskussion wurde betont, dass die bestehende Sicherheitsrichtlinie alles Nötige wie den Gebrauch von Rettungswesten abdecke und den Vereinen die Möglichkeit gebe, sich ihren Gewässerbedingungen anzupassen. Alle Anträge wurden sehr deutlich abgelehnt.
Marc Hildebrandt, der alte und neue Vorsitzende der Deutschen Ruderjugend, wurde von den Delegierten in seinem Amt bestätigt. Die neu gefasste Jugendordnung wurde ebenfalls bestätigt. Der Rudertag 2024 wird in Halle/Saale stattfinden.
Dag Danzglock neues Ehrenmitglied
Petri nutzte die Gelegenheit, dass der langjährige stellvertretende Vorsitzende Dr. Dag Danzglock wegen einer Sitzung des Historischen Arbeitskreises anwesend war. Petris Vorschlag, ihn aufgrund seiner großen Verdienste um den DRV spontan zum Ehrenmitglied zu wählen, wurde von den Delegierten gerne aufgenommen. „Ich bin gerührt und weiß es sehr zu schätzen“, sagte Danzglock unter langanhaltendem Beifall.
Bittere Situation im Leistungssport
Eigentlich war der außerordentliche Rudertag nur für das Thema neue Satzung vorgesehen. Nach einem Antrag der Rudergemeinschaft Angaria Hannover wurden über den Weg eines Vergleichs vor dem Rechtsausschuss mit den Berichten des Vorstandes und dem des Sportdirektors noch zwei weitere Tagesordnungspunkte aufgenommen. Vorsitzender Moritz Petri äußerte dabei unter anderem die Hoffnung, dass der Arbeitskreis Digitalisierung das neue Meldeportal zur nächsten Saison an den Start bringen kann. Finanziell bezeichnete er das laufende Jahr als „extrem schwierig“, weil der DRV zeitweise 2,8 Millionen Euro an verspätet kommenden Bundesmitteln für den Leistungssport vorfinanzieren musste. Das dürfe sich nicht wiederholen. „Am bittersten“ sei jedoch die Situation im Leistungssport mit dem schwachen Abschneiden bei der EM und der WM. Es gebe „extrem viele Antworten“, warum die Situation so sei. „Jede Menge Ehrlichkeit“ und das Zurückstellen von Partikularinteressen sei nötig. Man müsse sich „auf das eine Ziel olympische Medaillen“ einschwören.
„Ja, es sind Fehler gemacht worden. Die Kritik haben wir aufgenommen und erste Dinge bereits umgesetzt“, begann Sportdirektor Mario Woldt seine ausführliche Analyse. Als „sehr anspruchsvolles Ziel“ für die Olympischen Spiele in Paris nannte Woldt, acht Boote dafür zu qualifizieren und drei Medaillen zu holen. Um das möglich zu machen, seien gemeinsames Arbeiten, intensive Trainingsleistungen mit bis zu 7000 Kilometern an bis zu 300 Tagen, und die entsprechende Zielorientierung nötig. Darüber hinaus ist ein Projekt zur Bindung perspektivisch vielversprechender Sportler bis 2028 geplant.