DRV-Probleme: Verspäteter Mitteleingang und steigende Bürokratie
In der DRV-Geschäftsstelle hätte man eigentlich ein wenig stolz sein können. Das Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln hat den von Finanzreferentin Susanne Bente und ihrem kleinen Team erstellten Jahresabschluss für 2016 zu Beginn dieses Jahres ohne Beanstandungen genehmigt. Das heißt, die Bundesmittel für den Leistungssport im Jahr der Olympischen Spiele von Rio de Janeiro wurden ordnungsgemäß ausgegeben und verbucht.
„Wenn mit dem geringen Personalaufwand, den wir betreiben, alles okay ist, freut uns das als Vorstand sehr“, sagt der stellvertretende DRV-Vorsitzende Torsten Gorski. „Großes Lob geht an die Bereich Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen, aber auch an den Bereich Leistungssport. Schließlich finden internationale Ruderwettbewerbe auch in Gegenden statt, denen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung nicht so bekannt sind. Und trotzdem stimmt unsere Abrechnung“, ergänzt Gorski mit einem Lächeln.
Bei Susanne Bente und ihren Kolleg*innen in Hannover hielt sich die Freude über die Bestätigung der Arbeit allerdings in Grenzen. 2016 ist schon lange her und seitdem ist der Verwaltungsaufwand im Zuge der Leistungssportreform sprunghaft gestiegen. Die bürokratischen Anforderungen, die der Bund für den Umgang mit seinem Geld vorgibt, werden immer umfangreicher. „Mit dem vorhandenen Personal stoßen wir an unsere Belastungsgrenzen. Solche Ergebnisse wie 2016 auch künftig hinzubekommen, wird schwierig. Mit den vielen Regeln steigt die Möglichkeit zu Fehlern“, warnt Sportdirektor Mario Woldt.
Geld für Leistungssport kommt nun in fünf Töpfen
Die wohl gravierendste Veränderung gilt seit Jahresbeginn 2022. Das Geld für den Leistungssport erreicht den DRV nicht mehr pauschal, sondern es wird aufgeteilt in fünf Töpfe für die verschiedenen Disziplinen: Riemen und Skull für Männer und Frauen sowie Leichtgewichtsrudern. Alle Projektanträge und Ausgabepositionen müssen nun den einzelnen Disziplinen zugeordnet werden. Woldt nennt ein Beispiel: „Das Hotel, das unsere Nationalmannschaft bei einer Weltcup-Regatta beherbergt, stellt uns natürlich keine fünf Rechnungen aus, sondern wie bisher eine. Das macht es für unsere Geschäftsstelle enorm kompliziert.“ Gefünftelt werden müssen auch die Kosten für die Einkleidung der Nationalmannschaft. Oder die Rechnungen der Physiotherapeuten, wenn bei einem Weltcup alle Disziplinen am Start sind.
Zudem ist zwischen den fünf Töpfen keine Querfinanzierung möglich. „In anderen Ländern sind die Mittel flexibler einsetzbar. Bei uns sind die Regeln starr, nicht unbedingt am Sport, sondern an verwaltungstechnischen Abläufen ausgerichtet“, sagt der Sportdirektor. Die Regeln gelten zwar für alle Spitzensportverbände, die vom Bundesinnenministerium mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. „Uns trifft es schon anders als andere, weil wir es gewohnt waren, dass es einen Gesamttopf Rudern gibt. Andere Verbände hatten schon immer verschiedene Töpfe, die brauchen schon immer verschiedene Abrechnungen. Für uns ist der Fünffach-Aufwand neu“, sagt Woldt.
Anträge müssen immer wieder überarbeitet werden
Mit dem hohen zeitlichen Aufwand für die neue Abrechnungspraxis einher geht ein deutlich gestiegener Planungsaufwand. Fast immer muss ein Projekt beim Bundesverwaltungsamt mehrfach beantragt werden. Woldt beschreibt das übliche Verfahren: „Wir planen, damit kommt ein Vorbescheid mit weniger Geld als erwartet, dann planen wir wieder um, dass es auf das weniger zur Verfügung stehende Geld passt. Der Bewilligungsbescheid enthält wieder neue Summen, wir ändern wieder ab. Dann administrieren wir das Ganze, erstellen für das BVA einen Zwischenstand im September und den Abschluss zum Anfang des neuen Jahres. Der Aufwand ist immens.“ Das koste Zeit, die besser in den Sport investiert wäre. Woldt: „Zum Beispiel, um eine Mannschaft zu begleiten, sich mit den Sportlern und Trainern auseinanderzusetzen. Aber in der Organisation des Leistungssports entfernt man sich leider immer mehr vom eigentlichen Sport.“
Und immer wieder einmal ändern sich die Bestimmungen. Torsten Gorski nennt das Thema medizinische Versorgung in den Trainingslagern. „Das Mitführen einer Reiseapotheke, die natürlich darüber hinausgeht, was Privatpersonen mitnehmen, wurde bisher aus Bundesmitteln bezahlt - jetzt nicht mehr. Nun müssen wir gucken, wie wir die 20 000 Euro dafür im ordentlichen Verbandshaushalt unterbringen.“
Viele Bundeskader bringen auch Probleme
Mit rund 84 000 Mitgliedern nimmt der DRV nach der jüngsten Erhebung der Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) weiter Rang 28 unter den 66 deutschen Spitzensportverbänden ein. Für die Verbandsgröße hat der DRV aber extrem viele Bundeskader-Athleten - 308 an der Zahl. Das ist erst einmal sehr positiv, sorgt für eine hohe öffentliche Bezuschussung – aber durch den entsprechenden Verwaltungsaufwand auch für eine zusätzliche Zuspitzung des Arbeitsanfalls in der Geschäftsstelle. Torsten Gorski: „Das ist bei uns anders als bei einem größeren Verband mit kleinerer Zuschusssumme.“
Mario Woldt sieht die Vorgabe, das Regelwerk des Bundes bei gleichbleibendem Personalumfang zu erfüllen, auf Dauer als „nicht tragbar“ an. Das Personal in der Geschäftsstelle aufzustocken, ist derzeit aber kein Thema. Es ginge „zu Lasten des ordentlichen Haushaltes und damit auf Kosten der Vereine, was wir vermeiden wollen“, sagt der für die Verbandsfinanzen zuständige stellvertretende Vorsitzende.
Ohnehin sei die Lage nicht einfach, so Gorski: „Bei steigenden Anforderungen, unseren Sport ausüben zu können, ob ich nun Leistungs- oder Breitensport, Para- oder Wanderrudern nehme, haben wir eine ordentliche Haushaltsdecke von 1,3 bis 1,4 Millionen. Mit der müssen wir diese steigenden Begehrlichkeiten sach- und fachgerecht decken können. Da müssen Prioritäten gesetzt werden und man muss auch mal sagen: Das können wir uns dieses Jahr nicht leisten. Erste Priorität ist: Der Verband muss digitaler werden. In die Verwaltungssoftware müssen wir aber erst einmal investieren. Sie bietet Benefit für Vereine und der Verband kann Abrechnungen damit machen. Aber das geht eher in der Fort- und Ausbildung als im Leistungssportbereich.“
Die Aufteilung der Bundesmittel für den Leistungssport auf fünf Töpfe bedeutet eine erhebliche Erschwernis. Zum größten Problem entwickelte sich in diesem Jahr jedoch deren verspätete Auszahlung. Das Finanzloch musste aus dem ordentlichen DRV-Haushalt zwischenfinanziert werden, um den Leistungssport am Laufen zu halten. Zudem musste zwischenzeitlich eine Haushaltssperre verhängt werden.
Erste Bundesmittel gehen erst zur Jahresmitte ein
„Nach Jahren mit Bundestagswahlen werden die Mittel immer verzögert ausgezahlt, das ist also grundsätzlich nichts Neues“, sagt Sportdirektor Woldt. Dass es bis zur Jahresmitte dauerte, bis die ersten beiden Tranchen (begrenzt auf 45 Prozent aufgrund des vorläufigen Bundeshaushalts) zur Verfügung standen, war jedoch ungewöhnlich. Komplett eingegangen sind die Bundesmittel, so Woldt, erst seit Anfang Oktober.
Die generelle Streichung einer Grundförderung, die pauschal bewilligt und von den Verbänden individuell verwendet werden konnte, hin zu einer reinen Projektförderung machte sich für den DRV unangenehm bemerkbar. „Wir haben Teilanträge gestellt, damit sie schneller bewilligt werden können. Aber das ist sehr aufwändig und wurde immer im Detail hinterfragt. Bis die Erklärungen unsererseits zufriedenstellend waren, floss kein Geld“, berichtet Woldt.
Vorfinanzierung durch ordentlichen Haushalt
Je länger das Jahr fortschritt, umso problematischer wurde die Vorfinanzierung durch den ordentlichen Haushalt. Schon, weil er nur gut ein Drittel des Volumens der Leistungssport-Mittel umfasst. „Andere Verbände taten sich mit der Auszahlungsverzögerung weniger schwer als wir, weil sie über mehr Mittel im ordentlichen Haushalt verfügen“, sagt Woldt. Der zunehmende Liquiditätsengpass habe intern für Unmut gesorgt, weil Projekte aus dem ordentlichen Haushalt nicht mehr bedient werden konnte. Dennoch habe man Hotels und Partner im Leistungssport hinsichtlich der Begleichung von Rechnungen vertrösten müssen, was für Verwerfungen gesorgt habe.
Bewilligungen für 2023 schon eingetroffen
Wie sind die Aussichten diesbezüglich für 2023? „Besser“, meint Mario Woldt. „Einmal haben wir kein Wahljahr. Zum anderen hat das Bundesministerium des Innern in Aussicht gestellt, dass sich das Bewilligungsprozedere vereinfachen wird. Den Bedarfsplan haben wir bereits abgegeben, er kann jetzt geprüft werden. Wir wissen jedoch bereits, dass wir die gleichen Mittel wie 2022 zur Verfügung haben werden, und können planen.“ Diese Planungssicherheit sei dringend nötig, weil bereits zu Beginn des Jahres zwei große Trainingslager anstehen, die bezahlt werden müssten.
„Ganz aktuell können wir erfreulicherweise die Nachricht des BMI entgegennehmen, dass erhebliche Vorgriffe für 2023 bewilligt wurden! Für die Weltcups und Weltmeisterschaften müssen jetzt schon Hotels gebucht werden. Das geht teilweise nicht ohne Anzahlung“, ergänzte der Sportdirektor am Dienstag.