Integration durch Sport: TiB-Ruderer in Spandau trainieren Geflüchtete aus der Ukraine
Die Solidarität mit der Ukraine ist auch im Berliner Rudersport groß, zum Beispiel bei der Ruderriege Spandau der Turngemeinde in Berlin 1848 (TiB). An mehreren Wochenenden können Kinder und Jugendliche mit ihren Müttern an einer kostenfreien Ruderausbildung teilnehmen. Einzige Voraussetzung: Sie müssen schwimmen können.
Bevor es aufs Wasser geht, erläutert Abteilungsleiter Thomas Gäbel, früher ein erfolgreicher Ruderer, die theoretischen Grundlagen und Sicherheitsanweisungen. Dann steigt er mit den jungen Anfängern ins Boot und steuert den Vierer über den Seitenarm der Havel. Nach rund einer halben Stunde sind die Nächsten dran.
Thomas Gäbel spricht Russisch. Das ist ein Grund, warum sich die Geflüchteten bei der TiB schnell heimisch fühlen. Ein anderer Grund ist die familiäre Atmosphäre am Tiefwerderweg. „Das finden sie cool, alle sind herzlich willkommen, werden ins Herz geschlossen", sagt Wolfgang Roth, stellvertretender Abteilungsleiter. „Wir machen neben dem Rudern viel zusammen: grillen, schwimmen, Saunaabende." Zugleich verhehlt er nicht, worum es bei dem großen ehrenamtlichen TiB-Engagement auch noch geht: „Wir hoffen, mit den Familienangeboten neue Vereinsmitglieder zu gewinnen, die Freude am Rudern haben, das Vereinsleben bereichern, und bereit sind, als Übungsleitende zu arbeiten."
So wie Bogdana Vasyltsiv aus Kiew. Sie stand in ihrer Heimat mehrfach auf dem Siegerpodest, ist ukrainische Meisterin im Achter und Kiewer Meisterin im Einer und Vierer. Seit zwei Jahren rudert sie bei der TiB. Die 18-Jährige und ihre Mutter kamen gleich nach Kriegsbeginn nach Deutschland. Sie konnten vorübergehend in dem kleinen Bootshaus der TiB wohnen – der Kontakt zu Thomas Gäbel entstand durch seine 30-jährige Freundschaft mit dem Junioren-Nationaltrainer der Ukraine. Später fanden die beiden Frauen auf Initiative des Landessportbunds Berlin mit anderen Geflüchteten eine Bleibe im Horst-Korber-Sportzentrum.
Bogdana Vasyltsiv lernt jetzt in einer Willkommensklasse Deutsch und studiert online Reha-Medizin in Kiew. Während sie ihre berufliche Entwicklung vorantreibt, bleibt die TiB ihre sportliche Heimat. „Ich bekomme hier viele neue Freunde, habe tolle Erlebnisse und kann Deutsch lernen", sagt Bogdana Vasyltsiv. Sie hat die DOSB-Trainer-C-Lizenz gemacht und ist inzwischen eine feste Stütze im Trainingsbetrieb. Immer mittwochs trainiert sie einen Vierer mit 12- bis 14-jährigen Jungen aus der Ukraine. Dabei möchte sie die Anfänger in ihrer Muttersprache für den Rudersport begeistern. Sie wechselt sich mit der Trainerin Luna Meyer (20), ab. Luna Meyer spricht Deutsch mit den Ukrainern. So lernen sie die Sprache nach und nach. „Die Verständigung klappt ganz gut", erzählt sie, „notfalls mit Händen und Füßen oder mit dem Google-Übersetzer." Auch sie hat schon eine erfolgreiche Ruderkarriere hinter sich, war 2018 Deutsche Meisterin im Doppelzweier auf der Kurzstrecke. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie vom Leistungssport zurücktreten. Seit drei Jahren hat sie die Trainerlizenz.
Während Bogdana Vasyltsiv die TiB als Trainerin unterstützt, verfolgt sie weiter ihre Leistungssportkarriere. Die Möglichkeit bekommt sie bei der Ruder-Union Arkona 1879. Dort trainiert sie seit Beginn dieser Saison viermal in der Woche mit den HavelQueens. Der Frauenachter hatte im letzten Jahr den Bundesliga-Sieg verteidigt.
Auch ihre Mutter engagiert sich in der TiB. Nicht als Ruderin – sie steigt nur ab und zu als Steuerfrau ins Boot. „Sie hat einen grünen Daumen", sagt Wolfgang Roth und zeigt auf die Grünpflanzen, die auf dem Vereinsgelände prächtig gedeihen. Außerdem kocht sie gut, berichten Vereinsmitglieder. Sie lieben ihre Blinchikis, die typischen ukrainischen Pfannkuchen.
Thomas Gäbel hat die Integration von Geflüchteten aus der Ukraine zu einem Markenzeichen seiner Abteilung gemacht. „Schon die Resonanz auf die Wochenendkurse im letzten Jahr war grandios“, sagt er. „Wir konnten aus den Reihen der Teilnehmer sogar eine kleine Trainingsgruppe organisieren und neue Vereinsmitglieder gewinnen. Diesen Weg wollen wir in diesem Jahr weitergehen.“