Karl Adam-Preis wird nicht mehr vergeben
Der Deutsche Ruderverband arbeitet konsequent seine NS-Vergangenheit auf.
Der legendäre Rudertrainer Karl Adam hat das Rudern im Nachkriegsdeutschland wiederbelebt und zwei Goldachter bei Olympischen Spielen trainiert. Aber er war auch Mitglied in der NSDAP und SA. Der Deutsche Ruderverband hat nun die Konsequenzen gezogen und vergibt den Karl-Adam-Preis nicht mehr.
Karl Adam hat schon immer polarisiert: Mit seinen modernen Trainingsmethoden, die er aus anderen Sportarten auf das Rudern übertrug, eckte er zunächst genauso an wie mit seinem Bild vom mündigen Athleten in Zeiten des Systemvergleichs mit dem sozialistischen Osten. Doch der Erfolg gab Adam Recht: 1960 im Rom und acht Jahre später in Mexico City gewann der vom ihm trainierte deutsche Achter olympisches Gold. Dass Adam trotz der Erfolge nach 1968 von den eigenen Ruderfunktionären demontiert und nur noch als Leiter der Ruderakademie in Ratzeburg fungieren durfte, wird in der Heldengeschichte von heute gern übersehen. Ebenso wie die NS-Tätigkeit Adams noch vor seiner Trainerlaufbahn im Rudern. Doch die NS-Vergangenheit von Sportlern und Funktionären rückt immer mehr in den Blickpunkt des öffentlichen Bewusstseins, seit das Thema durch Erstarken der AfD und anderer rechter Kräfte an Bedeutung gewinnt.
Der Deutsche Ruderverband hat als einer der ersten Sportverbände in Deutschland vor vier Jahren entschieden, seine Vergangenheit zu durchleuchten. Zu oft wird in den Vereins- und Verbands-Chroniken nur unvollständig oder gar nicht über die Jahre zwischen 1933 und 1945 berichtet. Für einen Verband, der sich fest in einer demokratisch verfassten Gesellschaft verankert sieht, kein akzeptabler Zustand. Der DRV beauftragte deshalb 2021 das Niedersächsische Institut für Sportgeschichte (NISH), die NS-Vergangenheit des Verbandes von externer Seite untersuchen zu lassen.
Im Frühjahr 2024 legte Professor Dr. Dr. Bernd Wedemeyer-Kolwe die Studie vor, die als wesentliche Ergebnisse belegen konnte, dass der DRV „federführend durch seinen Vorsitzenden Heinrich Pauli – die „Gleichschaltung“ („Führerprinzip“) und die „Arisierung“ (Ausschluss jüdischer Mitglieder) des vor 1933 im Deutschen Reichsausschuss für Leibesübungen (DRA) demokratisch organisierten deutschen Sports aktiv mit vorangetrieben hat, und zwar bevor das NS-Regime entsprechende Anordnungen für die Sportorganisationen erlassen hat.“ Während der offizielle NS-Parteiapparat die Durchsetzung des Arier-Paragrafen aus politischen Gründen verzögerte, um nämlich vor der Weltöffentlichkeit bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin weiterhin als weltoffen und nichtrassistisch zu gelten, trieb der Ruderverband den Ausschluss jüdischer Mitglieder in seinen Verein bereits seit 1933 aktiv voran.
Auf dem Verbandsrudertag 2024 in Halle/Saale distanzierte sich DRV-Vorsitzender Moritz Petri „klar und deutlich von dem damaligen Verhalten, insbesondere der frühzeitigen Gleichschaltung durch die DRV-Verantwortlichen.“ Zudem wurde der Historische Arbeitskreis des DRV damit beauftragt, sämtliche Ehrenpreise, Namensgeber von Preisen und historische Angaben aus der NS-Zeit auf der DRV-Webseite rudern.de zu überprüfen und gegebenenfalls Änderungen vorzuschlagen.
Diese Vorschläge wurden nun auf der Präsidiumssitzung des Verbandes Ende Februar 2025 diskutiert und beschlossen.
Personen, die die DRV-Plakette für besondere Verdienste erhalten haben und die über eine reine Mitgliedschaft in der NSDAP hinaus durch weitere Tätigkeiten und Bekenntnisse als NS-belastet angesehen werden können, wurden mit einer Anmerkung über ihre NS-Tätigkeit gekennzeichnet. „Wir wollten Namen nicht einfach streichen, und damit auslöschen, sondern uns aus heutiger Sicht dazu positionieren“, erklärt DRV-Chef Petri die Vorgehensweise.
Neben Karl Adam (Verleihung 1972) betrifft dies auch Sophie Barrelet (Verleihung 1968) und Lotte Clos (Verleihung 1988). Während Barrelet nach 1933 als Leiterin der Gaustelle für Erziehung und NS-Frauenschaft fungierte und über „gesunde deutsche Frauen“, „ihre völkischen Aufgaben“ und über die „Stärkung und Erhaltung der besten rassischen Kräfte im Volke“ Aufsätze verfasste, legte Lotte Clos 1933 als Vorsitzende des Casseler Frauen
Rudervereins (CFRV) in einem Beitrag für die Zeitschrift „Wassersport“ dar, dass „der CFRV generell keine jüdischen Mitglieder habe, da im Verein bereits seit 1919 ohnehin ein ungeschriebener „Arierparagraph“ bestehe.“
Bei Karl Adam fielen fielen nicht nur seine Mitgliedschaften 1933/34 in der SA und ab 1940 in der NSDAP ins Gewicht, sondern insbesondere seine Lehrtätigkeit bei der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt in Bernsdorf. Diese „Napolas“ waren staatliche Internatsschulen, in denen Schüler „arischer Abstammung“ nationalsozialistisch erzogen und auf kommende Führungsaufgaben vorbereitet werden sollten.
Aus diesem Grunde soll der Karl-Adam-Preis, der alljährlich dem schnellsten Achter bei den Deutschen Meisterschaften verliehen
wird, nicht mehr vergeben werden. Petri: „Wenn in heutiger Zeit ein Namenspreis vergeben wird, so dient dieser Name auch als Vorbild. Deshalb wollen wir – ganz unabhängig von den Verdiensten einer Person – keinen Preise vergeben, dessen Namensgeber eine NS-Vergangenheit hat.“ Dabei bekannte sich der Verband dazu, dass eine einfache Mitgliedschaft in der NSDAP kein hinreichender Grund ist, jemanden als NS-verstrickt zu betrachten. Zu oft passierte es ohne Wissen der Person oder es waren berufliche Gründe, warum jemand Parteimitglied wurde. Das mag man aus heutiger Sicht als verwerflich betrachten, aber zu einem echten Parteigänger gehört mehr als eine bloße Parteimitgliedschaft. Dies gilt für die beiden ehemaligen DRV-Vorsitzenden Oskar Ruperti (1919 – 1926) und Walter Wülfing (1949 – 1966). Beide waren NSDAP-Mitglied, aber nach heutigem Stand der Forschung sind sie nicht weiter als Parteigänger und Anhänger nationalsozialistischer Ideen in Erscheinung getreten, sodass das DRV-Präsidium entschieden hat, hier keine Änderungen bei der Vergabe der Namenspreise zu beschließen.
Die historische Zeitleiste auf dem DRV-Portal rudern.de, die in Stichworten die wichtigsten Ereignisse und Meilensteine des Ruderverbandes seit seiner Gründung 1883 nennt, wurde für die Nazi-Zeit um zahlreiche Ergänzungen vervollständigt und aktualisiert.
Mit diesen Einordnungen sieht sich der DRV noch nicht am Ende der Aufarbeitung der Verbandsvergangenheit. Die Wedemeyer-Studie bezieht sich ausschließlich auf die Funktionäre des DRV bzw. des späteren Fachamts für Rudern auf die Jahre 1933 bis 1945. Dies umfasst einen untersuchten Personenkreis von weniger als fünfzig Personen. Alle Funktionsträger, die erst nach 1945 zum Verband stießen – wie etwa Karl Adam – oder sämtliche Ehrenpreisträger seit 1958 wurden bislang nicht systematisch erfasst. Diesen letzten blinden Fleck will der DRV nun jedoch überwinden und auch diese Personen zügig überprüfen lassen.