Langstrecke Leipzig: Start in eine wichtige Saison
Nach einem harten Trainingswinter wird es für die besten deutschen Ruderer nun langsam ernst auf dem Wasser. Die Langstrecke in Leipzig mit der in Kleinbooten zu absolvierenden 6000-Meter-Distanz und einem vorgeschalteten Ergometer-Test über 2000 Meter läuten am Wochenende (1. und 2. April) die wichtige Qualifikationssaison zu den Olympischen Spielen 2024 ein. Um eine bestmögliche Vorbereitung und ein gutes Ergebnis bei der Weltmeisterschaft in Belgrad (3. bis 10. September), der ersten und wichtigsten Qualifikationsregatta für Paris, zu ermöglichen, wurde an vielen Stellschrauben gedreht. Besonders wichtig war es, die in der enttäuschenden Übergangssaison 2022 aufgetretenen physischen Defizite aufzuarbeiten.
Mehr Gehör für die Athleten
Nicht zuletzt geht es DRV-Cheftrainerin Brigitte Bielig und -Sportdirektor Mario Woldt aber auch darum, die Kaderathleten regelmäßig zu hören und so besser mitzunehmen, als das bisher üblich war. „Die Kommunikation zwischen Trainern und Sportlern ist an den Stützpunkten und in den Trainingslagern verbessert und intensiviert worden“, sagt Bielig. Mit Trainern und Athleten wurden zudem persönliche Entwicklungsbögen erstellt, in denen sportliche Zielstellungen und Entwicklungswege vereinbart wurden.
Der Weg ins Nationalteam soll nun nachvollziehbarer sein. „Wir haben klare Nominierungsregeln formuliert und Mindestnormen gesetzt“, sagt Brigitte Bielig. Die Zahl der Teilnehmer an den Trainingslagern sei aber bei Frauen und Männern zunächst großzügig gehalten worden. Zwei Wochen nach der Langstrecke Leipzig bilden die Deutschen Kleinboot-Meisterschaften in Brandenburg (14. bis 16. April) die erste wichtige Zwischenstation. Dass die Meister dort traditionell für die Europameisterschaft (im slowenischen Bled, 26. bis 28. Mai) nominiert werden, sorgt für eine besondere Wertigkeit. Nach Brandenburg nehmen die Trainer teilweise eine Vorformierung der Großboote vor. Hierzu werden mehrere Parameter herangezogen, darunter ein Ergo-Test, ein Wettkampftest und auch der P-Index (erzielte Wattzahl pro Kilogramm Körpergewicht).
Die Großbootüberprüfung in Hamburg (29./30. April) mit verschiedenen Tests folgt. „Die Mittelboote werden nicht stur nach dem Ranking besetzt“, sagt die Cheftrainerin. So sollen in Hamburg passgenaue Doppelzweier und Vierer ohne gefunden werden. Nach der Großbootüberprüfung wird der endgültige EM-Kader benannt. Wer am Ende trotz Fleiß und Motivation nur den Weg in den Anschlusskader schafft, soll mit Einsätzen bei anderen Regatten wie der Internationalen Wedau-Regatta in Duisburg (13./14. Mai) belohnt werden. EM-Teilnehmer haben dort keine Startpflicht.
Die Europameisterschaft ist die Generalprobe für die WM. Das Abschneiden im idyllischen Bled Ende Mai wird zeigen, wo eventuell auch personell noch nachgebessert werden muss. Gelegenheit dazu bieten die Weltcups in Varese (16. bis 18. Juni) und in Luzern (7. bis 9. Juli). „So viel wie im letzten Jahr werden wir aber keinesfalls verändern“, sagt Bielig. Nach der Rotsee-Regatta wird dann der WM-Kader benannt. Den ersten Teil der Vorbereitung ab Ende Juli absolvieren die Männer in Völkermarkt (Österreich) und die Frauen in Corgeno (Italien). Das gemeinsame Abschlusstraining für die Welttitelkämpfe in der serbischen Hauptstadt findet vom 16. bis 26. August dann in der nach dem Umbau weitgehend fertiggestellten Ruderakademie Ratzeburg statt.
Wie sieht es in den Bereichen aus?
Im in Berlin angesiedelten Frauen-Bereich, der im März noch ein 17-tägiges Trainingslager in Corgeno absolvierte, haben sich die Ergo-Leistungen verbessert. Die Abgrenzung zwischen Skull und Riemen wurde aufgehoben. Aus dem starken und breiten Skull-Bereich mit den Rückkehrerinnen Carlotta Nwajide (Deutscher Ruder-Club Hannover) und Leonie Menzel (RC Germania Düsseldorf) wechselten Judith Guse (Rendsburger Ruderverein), Tabea Kuhnert (SC Magdeburg), Sophie Leupold (Pirnaer Ruderverein) und Nora Peuser (Ruder-Union Arkona Berlin) in die Riemen-Boote und lassen auf eine Verstärkung des Bereiches hoffen. Riemen-Disziplintrainer René Burmeister arbeitet nun wie schon früher im U23-Bereich mit Bundestrainer Sven Ueck zusammen, der nach einem Jahr zum DRV zurückkehrte. Sonderwege beschreiten Marie-Sophie Zeidler (DRC Ingolstadt) und Juliane Faralisch (Frankfurter RG Germania), die in München trainieren und sich für den Doppelzweier qualifizieren wollen, ebenso wie die Riemerinnen Lena Sarassa (Crefelder Ruder-Club) und Hannah Reif (Ruderclub am Wannsee Berlin), die in Dortmund trainieren und um den national besten Zweier ohne kämpfen. Alexandra Föster (RC Meschede), die WM-Siebte im Einer, konnte zu Hause in Meschede und in den Trainingslagern mit Rückenproblemen nur dosiert trainieren.
Im Bereich Männer-Riemen scheint die Ausgangslage, so Bielig, wesentlich besser als im vergangenen Jahr zu sein. „Die jungen Ruderer machen viel Spaß, es herrscht eine gute Grundstimmung.“ Mit Hannes Ocik (Schweriner Rudergesellschaft) steht auch der frühere Achter-Schlagmann nach seinem Ausflug in den Skull-Bereich wieder im Wettbewerb. Laurits Follert (Crefelder Ruder-Club), den Silber-Gewinner der Olympischen Spiele von Tokio im Achter, hofft auf das Ende seiner Rückenprobleme. Dass der viele Jahre für den Achter zuständige Bundestrainer Uwe Bender in Dortmund nicht mehr dabei ist, muss überbrückt werden. Für die kurzfristige Unterstützung des Trainer-Teams von Sabine Tschäge ist Christian Viedt wieder zum A-Bereich hinzugestoßen. Somit wird der Männer-Riemen-Bereich weiterhin kompetent trainiert und bestmöglich auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereitet.
Im Männer-Skull hat sich Einer-Fahrer Oliver Zeidler (Frankfurter RG Germania), der einzige amtierende Weltmeister des DRV, wie gewohnt mit seinem Vater Heino in München und auf Trainingslagern alleine auf die Saison vorbereitet. Mit seinem Sieg bei der Ergometer-Weltmeisterschaft Ende Februar in Toronto (Kanada) setzte Zeidler ein Zeichen. Aber auch er muss die Nominierungskriterien des DRV erfüllen und sich national bei der Bundeskaderüberprüfung auf dem Elster-Saale-Kanal in Leipzig und den DKBM durchsetzen. Der Kampf um die Nominierung im Doppelzweier und Doppelvierer ist groß, auch Tim Ole Naske (RG Hansa Hamburg) mischt nach seinem Pausenjahr am Stützpunkt Hamburg wieder mit. Ihren eigenen Weg gehen Marc Weber (Ruder- und Sport-Steinmühle Marburg) und Jonas Gelsen (RC Nassovia Höchst), die sich gegen den Umzug nach Hamburg entschieden und in Frankfurt im Doppelzweier trainieren. Für den Leichtgewichts-Doppelzweier bewirbt sich u. a. auch Jonathan Rommelmann (Crefelder Ruder-Club), der erfahrene Silber-Gewinner von Tokio, nach seiner abgeschlossenen Arzt-Ausbildung. Dass er nun wieder Gewicht abtrainieren muss, ist er gewöhnt.
Unglücklicherweise sind für die Langstrecke in Leipzig am kommenden Wochenende in fast allen Bereichen Ausfälle zu verzeichnen! Die Skullerin Carlotta Nwajide konnte krankheitsbedingt nicht gemeldet werden, auch Alex Föster kann aufgrund ihrer Rückenprobleme nach Rücksprache auf der Langstrecke noch nicht wieder an den Start gehen. Aus dem Riemenbereich fällt Alyssa Meyer krankheitsbedingt aus. Ebenfalls aufgrund seiner Rückenprobleme kann Laurits Follert aus dem Männer-Riemen Bereich noch nicht voll in die Saison einsteigen und muss auf einen Start verzichten.