Ratzeburg und Paris: So lief die WM-Vorbereitung
WM-Vorbereitung auf der Zielgeraden
Die sechswöchige Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft ab 3. September in Belgrad befindet sich auf der Zielgeraden. Die meisten Boote des Deutschen Ruderverbandes für die olympischen Klassen holen sich noch diese Woche bis Samstag in Ratzeburg bei der zweiten Unmittelbaren Wettkampfvorbereitung (UWV) den letzten Schliff für die WM, der in diesem Jahr durch die damit verbundene Olympia-Qualifikation eine besonders hohe Bedeutung zukommt. Der Bereich Männer Riemen trainiert nach der Rückkehr aus Vaires-sur-Marne zu Hause in Dortmund. Die Trainingsgruppe Zeidler, die ihre Vorbereitung ebenfalls mit dem Kennenlernen der olympischen Regattastrecke von 2024 verknüpfte, bestreitet die letzten Tage vor der WM im heimischen München-Oberschleißheim.
Cheftrainerin Brigitte Bielig bewertet es schon einmal als sehr positiv, dass das WM-Aufgebot mit den beiden Ausnahmen in Ratzeburg zusammenfinden konnte. Der komplette Kader hätte derzeit gar nicht untergebracht werden können. Zuletzt traf auch der nachnominierte Frauen-Achter aus dem U23-Bereich ein, der zuvor in Rostock trainiert hatte. Trotz der noch nicht abgeschlossenen Baumaßnahmen an der Ruderakademie gab es mit Improvisationskunst absolut annehmbare Bedingungen für die Ruder:innen. Und, ganz wichtig, das Wetter spielte mit und war nicht, wie zum Beispiel bei der ersten UWV in Völkermarkt, ein Stimmungskiller.
Sportlich sieht Bielig ihre Hoffnungen weitestgehend erfüllt, bevor am Samstag mit Relationsrennen über 2000 Meter das gemeinsame Vorbereitungsprogramm endet: „Nahezu alle Boote haben gute Fortschritte gemacht. Physisch haben wir uns mit großen Trainingsumfängen seit Luzern nach vorne bewegt, wie es unser Plan war, und auch eine verbesserte technische Zusammenarbeit in den Booten erreicht.“ Was natürlich nicht bedeutet, dass die DRV-Flotte in Belgrad wieder in den Kreis der Top-Nationen zurückkehren wird. Von Einer-Ass Oliver Zeidler abgesehen, zählt kein deutsches Boot zum engsten Kreis der Medaillenkandidaten.
Doch Steigerungen gegenüber dem bisherigen Saisonverlauf sind möglich und wohl auch nötig, um das Ziel zu erreichen, sieben von 14 Booten für die Olympischen Spiele 2024 in Paris zu qualifizieren. Wenn es sein muss, inklusive des Umwegs der finalen Welt-Qualifikation Mitte Mai 2024 in Luzern. Vielleicht benötigt das eine oder andere DRV-Boot auch die Zeit, um länger an sich zu arbeiten, und Luzern dann erfolgreich zu bestreiten. „Sieben qualifizierte Boote wäre unsere maximale Zielstellung, wenn alles zusammenspielt und wir ein Quäntchen Glück bei der Auslosung haben“, sagt Bielig.
Männer-Doppelvierer feilt an Details
Beim Bereich Männer Skull freut sich Bielig über die großen Fortschritte, die sich der Doppelvierer mit Anton Finger, Max Appel, Tim-Ole Naske und Moritz Wolff über die Saison und weiter in den Trainingslagern erarbeitet hat. Bundestrainer Dirk Brockmann arbeitet mit seinen Schützlingen intensiv an technischen Details beim Zug. Gesundheitliche Probleme von Jonas Gelsen bereiteten im Doppelzweier zunächst Probleme, Ersatzmann Julius Rommelmann sprang ein. Zuletzt konnte ein stabilisierter Gelsen aber wieder zusammen mit Marc Weber rudern. Dass sich beide zusammen mit Trainer Ralf Hollmann in die Gruppe integrierten und ebenfalls in Ratzeburg sind, bewertet die Cheftrainerin als sehr positiv. Jonathan Rommelmann und Paul Leerkamp hätten im leichten Doppelzweier ebenfalls Fortschritte gemacht. Die Kombination aus Rommelmanns Erfahrung und Leerkamps Bissigkeit sei dabei, sich immer besser einzuspielen.
Im Bereich Frauen Skull erlebte Bielig im Einer eine Alexandra Föster in erstarkter, sehr guter Verfassung. Die stärkste Frauen-Mannschaft, der Doppelvierer, feilte an Details. Bundestrainer Marcin Witkowski entschied sich zuletzt dafür, Pia Greiten auf die Schlagübernahme zu setzen, und Frauke Hundeling im Tausch auf Position zwei. Im Doppelzweier musste Leonie Menzel für einige Tage erkrankt passen und sei von Lisa Gutfleisch gut vertreten worden. Jetzt sitzt Menzel aber wieder gemeinsam mit Maren Völz im Boot. Dem leichten Doppelzweier mit Marion und Johanna Reichardt waren die Strapazen der Vorbereitung zuletzt anzumerken.
Im Bereich Frauen Riemen gebe es beim Vierer mit Lena Osterkamp, Melanie Leupold, Sophia Göldner und Luisa Schade eine positive Entwicklung. Mit weniger gesundheitlichen Problemen als in diesem Jahr könne von dem aus dem ursprünglichen Achter gebildeten Boot 2024 mehr erwartet werden, meint Bielig.
„Anders als alle anderen Strecken“
Eigentlich wollte Trainer Heino Zeidler mit seinen Schützlingen Oliver Zeidler, Lena Sarassa und Hannah Reif komplette zwei Wochen auf der olympischen Regattastrecke 35 Kilometer östlich von Paris trainieren. Weil der Kurs auf dem künstlichen Becken aber komplett für Kanu-Rennen umgebaut wurde, musste die Gruppe aus München vier Tage früher als geplant die Heimreise antreten. Trotzdem war Zeidler sehr froh, die Bedingungen kennengelernt zu haben: „Diese Strecke ist anders als alle anderen Strecken. Wir haben alle Windrichtungen erlebt, die Bedingungen ändern sich sehr schnell, sind am Vormittag ganz anders als am Nachmittag. Darauf muss man sich einstellen.“
Beim Frauen-Zweier ohne sieht Zeidler eine positive Entwicklung: „Die beiden haben einige Schritte nach vorne gemacht. Über den Messboot-Einsatz konnten wir die Probleme, die in Luzern und Varese aufgetreten sind, beheben.“ Bei Oliver Zeidler sei es nach einer dominant geführten Saison vor allem darum gegangen, „die Form zu konservieren. Wir haben an den Basics gearbeitet und versucht, noch schneller zu werden. Wenn Ollis Gesundheit hält, können wir die Aufgabe Belgrad sehr zuversichtlich angehen“.
„Es gibt einen klaren Aufwärtstrend“
Im Trainingslager nahe der französischen Hauptstadt lag der Fokus für das Bereich Männer Riemen mit dem Deutschland-Achter, dem Vierer ohne Steuermann und dem Zweier ohne darauf, in die hohen Schlagfrequenzen zu kommen und die Boote Stück für Stück schnell zu machen. „Das ist uns gut geglückt. Wir haben unser Programm vollumfänglich durchgezogen und sind in allen Booten vorangekommen, es gibt einen klaren Aufwärtstrend“, sagt Bundestrainerin Sabine Tschäge. Anders als beim ersten Trainingslager in Völkermarkt blieben alle Athleten gesund und auch das Wetter spielte diesmal mit.
Auch Tschäge hat Erkenntnisse zur Strecke im „Stade Nautique Olympique“ mitgenommen: „Ich will mich nach der kurzen Zeit nicht festlegen, aber der erste Eindruck ist, dass sie sich gut fahren lässt. Wir haben Schiebe- und Gegenwind erlebt, aber die Bedingungen sind dabei relativ fair für alle geblieben.“
Nichtolympische Boote können starten
In den nichtolympischen Wettbewerben wollen zwei deutsche Boote starten. Sowohl für den Leichtgewichts-Doppelvierer der Männer als auch für den Leichtgewichts-Zweier der Frauen gibt es zwei gemeldete Konkurrenten. Damit könnten die Wettbewerbe stattfinden.
Seit Montag trainieren auch vier für die WM gemeldete Para-Boote in Ratzeburg und fahren gemeinsam mit dem A-Kader Strecken. „Die Paras nutzen den Ratzeburger Ruderclub als ihren Trainingsstandort und mit gemeinsamen Absprachen kommt man gut zusammen“, sagt Brigitte Bielig.
Nach drei Tagen zu Hause geht es für die DRV-Mannschaft am Mittwoch, 30. August, per Gruppenflug gemeinsam ab Frankfurt nach Belgrad. Die WM-Vorläufe in der serbischen Hauptstadt beginnen am Sonntag, 3. September.
Am Mittwoch wurde das Meldeergebnis für die WM veröffentlicht. Nur drei Nationen haben in Summe mehr als 20 Boote gemeldet (Italien, USA, Deutschland). Erstaunlich aus Sicht von DRV-Sportdirektor Mario Woldt ist das Meldeverhalten von Großbritannien mit nur 17 Booten. Auch wenn verhältnismäßig viele Boote in Summe starten, ist diese steigende Anzahl auf die hohe Zahl der meldenden Nationen zurückzuführen (73). Traditionsreiche Rudernationen sind nicht länger mit einem vollen Starterfeld vertreten (Niederlande 14). Dafür gibt es eine Kategorie der aufstrebenden Länder wie z.B. der Schweiz (11), Irland (12), Litauen (7) oder Griechenland (6).