von Hans Strauss & Luisa Gärtner

Olympische Spiele: Unser Frauen-Doppelvierer

Trainer Marcin Witkowski, Maren Völz, Tabea Schendekehl, Leonie Menzel, Pia Greiten und Ersatzfrau Frauke Hundeling (v.l.n.r.) bilden das Team um den Frauen-Doppelvierer. Foto: Maren Derlien

Die Bilder haben viele noch im Kopf. Im olympischen Finale von Tokio ruderte der deutsche Doppelvierer der Frauen klar auf Medaillenkurs. Doch 250 Meter vor dem Ziel verlor das Boot durch Wind und Wellen urplötzlich den Rhythmus und wurde nur Fünfter. Eine besondere Tradition war gebrochen: Seit der Aufnahme der Bootsklasse in das olympische Programm 1988 war bis dahin immer ein deutscher Frauen-Doppelvierer auf das Siegespodest gefahren. Drei Jahre später möchte ein komplett neues Boot in Paris seine eigene Erfolgsgeschichte schreiben und eine Medaille gewinnen.

Die Ruderinnen haben hart dafür gearbeitet, in Berlin und in den Trainingslagern. „Erst mal ist unser Ziel das A-Finale, das wird nicht leicht. Wenn wir es schaffen, dann müssen wir uns nicht verstecken“, meint Tabea Schendekehl (25) vom RC Hansa Dortmund. „Die Abstände zwischen Platz zwei und fünf waren in dieser Saison unter eineinhalb Sekunden. Es ist relativ eng, und bei jedem muss alles zusammenpassen“, ergänzt Pia Greiten (27) vom Osnabrücker RV. Unter den neun Doppelvierern, die in Paris antreten dürfen, scheint Großbritannien als amtierender Welt- und Europameister sowie als Luzern-Sieger dieses Jahres der einsame Favorit zu sein. Tabea will das aber nicht unterstreichen: „Über die Weltcup-Saison haben sich die Plätze gut getauscht, kein Boot fuhr permanent vorneweg. Für uns ist es cool, zu wissen, dass vieles offen ist.“ 

3, 3, 4 und 1 zum Weltcup-Ausklang in Poznan – das waren die internationalen Platzierungen dieser Saison, die Sicherheit vermitteln. Auf ihre physische Stärke können sich die Rudererinnen ohnehin verlassen: Noch nie war ein DRV-Doppelvierer stärker aufgestellt, das zeigen Vergleichszahlen der Vergangenheit. Der lange Ausfall von Schendekehl wegen eines Rippenbruchs ist abgehakt. „Tabea ist rechtzeitig wieder gesund geworden und fit zurückgekommen. In Poznan hat es gleich gut wieder gepasst“, sagt Greiten.

Sie war von Skull-Bereichstrainer Marcin Witkowski nach Schendekehls Ausfall vor dem Saisonstart auf Schlag gesetzt worden. „Ich kenne die Position sehr gut, in Varese war es für Marcin das Naheliegendste. Es war auch seine Entscheidung, das so zu lassen. Mir tut es gut und es gibt Tabea mehr Ruhe, wieder ins Boot reinzukommen. Direkt auf Schlag nach einer Verletzung, das kann auch zu viel Verantwortung sein“, sagt Greiten. Schendekehl hat damit kein Problem: „Pia hat offensichtlich einen sehr guten Job gemacht auf Schlag. Ich gehe auf 2 und mache auch einen guten Job.“

Der Sieg im B-Finale bei der letzten Weltmeisterschaft in Belgrad brachte das Boot zu den Olympischen Spielen. Die Besetzung hat sich allerdings verändert. Maren Völz und Leonie Menzel aus dem damaligen Doppelzweier kamen neu herein. Sie verdrängten Sarah Wibberenz und Lisa Gutfleisch. Frauke Hundeling ist nun immerhin als Ersatz in Paris dabei. Dem Prozess der Selektion widmete die ARD in ihrer Mediathek exemplarisch eine sehenswerte, einfühlsam gemachte Dokumentation unter dem Titel „Gemeinsam gegeneinander“. Am engen Verhältnis zwischen allen Sportlerinnen habe sich nichts verändert. „Im Frauen-Skull-Team hat sich eine sehr gute Gruppendynamik entwickelt. Wir verbringen auch außerhalb viel Zeit miteinander, es macht mehr Spaß so“, sagt Pia Greiten.

Nur Leonie Menzel hat aus ihrem Einsatz im Doppelzweier in Tokio schon olympische Erfahrung. „Ich habe den Olympia-Zyklus ´20/21 mitgemacht und bin relativ knapp nicht ins Ziel gekommen. Das war schmerzhaft, aber ich habe dabei gelernt, dass es nicht in erster Linie darum geht, dieses Ziel zu erreichen, sondern darum, dass ich Freude am Rudern und am Leistungssport habe“, sagt Pia. „Es ist sehr groß, dort teilnehmen zu können, aber dafür muss vieles zusammenpassen. Umso schöner, dass es jetzt klappt.“ Auch Tabea freut sich auf die Spiele: „Olympia-Teilnehmerin zu sein, heißt, dass man ganz oben angekommen ist, im eigenen Land und in der Weltklasse. Das ist sehr cool. Rudern vermittelt Dir Gefühle, die bekommst Du nirgendwo anders. Ich pushe mich gerne im Training, aber es gibt auch Tage, die wirklich hart sind.“

Über fünf Jahre hat sie in den USA gelebt und in Seattle ein praktisches Kunststudium mit Schwerpunkt Fotografie absolviert. Nach den Olympischen Spielen will sie dort anknüpfen und in Berlin einen Master in Kunst erwerben. „Ich freue ich auf einen neuen Lebensabschnitt. Mal sehen, welche Berufsfelder sich damit eröffnen. Rein als Künstlerin Geld zu verdienen, ist schwierig.“ Der bevorstehende Abschluss der Ruder-Karriere muss aber kein endgültiger sein: „Ich halte es mir offen, dass ich in ein oder zwei Jahren sage, ich brauche das Rudern.“

Pia Greiten hat ein Studium zum Wirtschaftsingenieur abgeschlossen und ein Zweitstudium zum Bauingenieur begonnen. „Derzeit bin ich aber in einem Urlaubssemester. Es war mir wichtig, mich voll auf Rudern zu konzentrieren. Nach Olympia wären Prüfungen gewesen, das wäre für mich nicht sinnvoll gewesen.“ Wie es mit dem Rudern bei ihr weitergeht, ist offen: „Ich will die Zeit nach Paris nutzen, zu reflektieren.“

Das sagt Trainer Marcin Witkowski:

„Die Vorbereitungen für Paris sind nach kleineren gesundheitlichen Problemen am Ende der UWV 1 in der UWV 2 effizient gelaufen. Wir haben viel an der Geschwindigkeit gearbeitet und auch an der Dynamik und Präzision der Zugphase. Wir belasten uns nicht mit einem Plan für das Ergebnis, das wir erreichen müssen. Jeder, der zu Olympischen Spielen geht, gibt alles, wofür er im Laufe seiner Ruderkarriere gearbeitet hat. Unser Ziel ist es, in den fünf Tagen, die über das Ergebnis in Paris entscheiden, gesund und in optimaler sportlicher Verfassung zu bleiben, und das wird das Wichtigste sein. Es sind die Nuancen, die den Unterschied machen. Wer also auf die Details achtet und einen kühlen Kopf bewahrt, wird am Ende zufrieden sein.“

Die Vier wollen sich von einem Ziel nicht verrückt machen lassen. Foto: Maren Derlien

Maren Völz

Geburtstag
Geburtsort
aufgewachsen in Schenkenberg
Wohnort
Berlin
Verein
Ruder-Club Potsdam e.V.
Wie bist Du zum Rudern gekommen?

Mein Nachbar hat mich mit zum Kindertraining in einen nahgelegenen Ruderverein genommen. Dort habe ich Rudern gelernt. Später wurde ich von einem Trainer für die Sportschule in Potsdam gesichtet, wo ich dann ab 2012 das Rudern und die Schule vereint habe.

Was war Dein Kindheitstraum?

Aus sportlicher Sicht auf jeden Fall bei den Olympischen Spielen zu Rudern.

Was würdest Du mit 1 Million Euro machen?

Leider noch zu wenig für ein Haus am See. Aber ich würde mit dem Geld weiter darauf sparen.

Was ist Dein Ritual vor dem Wettkampf?

Ich gehe das Rennen mindestens einmal (meistens öfter) nochmal im Kopf genau durch. An welcher Stelle im Rennen setze ich/wir zum Beispiel Akzente und auf was will ich technisch besonders achten. 

Würdest Du einen Tag ohne Dein Handy überleben?

Ja auf jeden Fall. Würde mir wahrscheinlich auch mal sehr gut tun.

Welcher Erfolg bedeutet Dir am meisten?

Bei mir ist es keine einzelne Medaille, die mir am meisten bedeutet. Für mich ist es der größte Erfolg mich nach langer Verletzungspause im Frauen Skull Team etabliert zu haben und nun im Doppelvierer für die Olympischen Spiele zu sitzen. Der größte Erfolg war hier aber der Weltcup Gesamtsieg und der 3. Platz bei der EM in der Saison 2024. Den allergrößten Erfolg können wir dann hoffentlich in Paris haben! 

Mit welcher/m Ruderin/Ruderer würdest Du gerne in den Urlaub fahren?

Das ist sehr leicht zu beantworten. Ich würde mit meinem Freund Julius Christ in den Urlaub fahren.

Was würdest Du einer/m jungen Sportlerin/Sportler mit auf den Weg geben?

Dass kleine oder auch große Niederlagen nicht endgültig sind. Es geht immer weiter und meistens nimmt man wertvolle Erfahrungen daraus mit.

Wie bist Du zum Rudern gekommen?

Mein Onkel hat mich mit zum Ruderclub genommen.

Was ist Dein Ritual vor dem Wettkampf?

Gute Musik hören und einmal ruhig hinsetzen & ein paar mal tief durchatmen 

Würdest Du einen Tag ohne Dein Handy überleben?

Ja.

Was würdest Du einer/m jungen Sportlerin/Sportler mit auf den Weg geben?

Glaubt an euch selbst und macht das was euch Spaß macht! Ihr seid gut so wie ihr seid! 

Wie bist Du zum Rudern gekommen?

Über das Olympic Adventure Camp in Düsseldorf. Dort hatte mein Verein einen Stand und ich wurde zum Probetraining eingeladen.

Was war Dein Kindheitstraum?

Einmal zu Olympia fahren.

Was ist Deine peinlichste Story?

Die kann ich hier leider nicht nennen.

Was würdest Du mit 1 Million Euro machen?

Ich würde mir ein Haus in der Nähe der Berge kaufen.

Was ist Dein Ritual vor dem Wettkampf?

Ergofahren und noch ein bisschen Gymnastik

Was ist das älteste Kleidungsstück in Deinem Schrank?

Ein altes, nicht mehr ganz so weißes, Langarm von Tchibo, das ich seit meinen Kinderjahren habe.

Würdest Du einen Tag ohne Dein Handy überleben?

Ja, auf jeden Fall. 

Welcher Erfolg bedeutet Dir am meisten?

Der Europameistertitel 2019 im Doppelzweier

Mit welcher/m Ruderin/Ruderer würdest Du gerne in den Urlaub fahren?

Mit Tom Tewes.

Was würdest Du einer/m jungen Sportlerin/Sportler mit auf den Weg geben?

Immer Spaß am Sport zu haben und versuchen entspannt zu bleiben. 

Pia Greiten

Geburtstag
Geburtsort
aufgewachsen in Bissendorf/Wissingen
Wohnort
Berlin
Verein
Osnabrücker Ruder-Verein e.V.
Beruf
Sportsoldatin und Studentin (Bauingenieurwesen)
Wie bist Du zum Rudern gekommen?

Über die Ruderriege des Gymnasium Carolinum Osnabrück. Dort habe ich in der fünften Klasse mit dem Rudern im Gig-Boot begonnen und bin dann über Jugend-trainiert-für-Olympia in das Rennrudern und letztlich für den Leistungssport zum ORV gegangen. 

Was war Dein Kindheitstraum?

Ich wollte immer gerne ein eigenes kleines Restaurant oder Hotel eröffnen. Die Vorstellung Menschen eine gute Gastgeberin zu sein und meine eigenen Speisen anzubieten hat mir sehr gefallen. 

Was ist Dein Ritual vor dem Wettkampf?

Ich habe kein besonderes Ritual vor Rennen. Die Abläufe sind zwar immer nahezu identisch, aber für mich ist eher wichtig flexibel zu sein, sodass unerwartete Veränderungen mich nicht aus der Ruhe bringen. 

Was ist das älteste Kleidungsstück in Deinem Schrank?

Eine Jeansjacke, die meine Mutter vor etwa 40 Jahren aus aufgetragenen Jeans nähte. 

Würdest Du einen Tag ohne Dein Handy überleben?

Ja.

Welcher Erfolg bedeutet Dir am meisten?

Insbesondere die Erfolge, die mir nach schwierigen Phasen gezeigt haben, dass ich mehr bin, als nur eine Sportlerin mit viel Potential, haben für mich einen sehr hohen Stellenwert. Dazu gehört sicherlich meine erste U23-Medaille, die EM 2020 im Einer sowie die letzten 2-3 Jahre im A-Bereich. 

Mit welcher/m Ruderin/Ruderer würdest Du gerne in den Urlaub fahren?

Mit den Freundinnen, die ich über all die Jahre im Rudersport gewonnen habe. 

Was würdest Du einer/m jungen Sportlerin/Sportler mit auf den Weg geben?

Habt Spaß! Unterstützt euch gegenseitig und fordert euch auch mal. Aber denkt daran: Nur wenn ihr als Team zusammen steht, kann ein Boot so richtig gut laufen! 

Frauke Hundeling

Geburtstag
Geburtsort
Bramsche
Wohnort
Hannover
Verein
Deutscher Ruder-Club von 1884 e.V.
Größe
184
Beruf
Polizeivollzugsbeamtin der Sportfördergruppe Niedersachsen
Sprachen
Deutsch, Englisch
Hobbys
Backen, Musik hören, Tanzen
Trainer
Thorsten Zimmer
Wie bist Du zum Rudern gekommen?

Über die Schule

Was würdest Du mit 1 Million Euro machen?

Vermutlich die Hälfte versteuern müssen. 

Was ist Dein Ritual vor dem Wettkampf?

Einen Kinderfilm ansehen. 

Was ist das älteste Kleidungsstück in Deinem Schrank?

Vermutlich eine second Hand geshoppte Jacke

Würdest Du einen Tag ohne Dein Handy überleben?

Ja.

Was würdest Du einer/m jungen Sportlerin/Sportler mit auf den Weg geben?

Spaß und Leichtigkeit an erster Stelle halten