Für die weltbesten Nachwuchs-Rudererinnen und Ruderer ist der Lago di Varese nun der Ort ihrer Träume. Auf dem 8,8 Kilometer langen und 4,5 Kilometer breiten See unweit der gleichnamigen 80 000-Einwohner-Stadt, die 55 Kilometer nördlich der Metropole Mailand liegt, werden parallel gleich zwei Weltmeisterschaften ausgetragen. Vom Montag, 25. Juli 2022, bis Samstag, 30. Juli 2022, geht es für die U23 um die WM-Titel. Vom Mittwoch, 27. Juli 2022, bis Sonntag, 31. Juli 2022, kämpft die U19 um Gold, Silber und Bronze.
Letztmals gab es 2016 in Rotterdam eine kombinierte WM dieser beiden Altersklassen. Der Zeitplan auf dem Lago di Varese, auf dem vergangenes Jahr die A-Europameisterschaft ausgetragen worden war, ist entsprechend dicht. Über 1400 Starter aus 61 Nationen treten in 36 Bootsklassen an (22 bei der U23, 14 bei der U19). Dabei sind auch die namhaften Übersee-Nationen, aber auch exotischere Ruderverbände wie Paraguay, Brasilien, Singapur, Thailand oder Vanuatu.
U23 reist lieber im Bus nach Varese
Traditionell tritt der Deutsche Ruderverband in der Lombardei mit einem der größten Aufgebote an. Gastgeber Italien stellt die meisten Teilnehmer, dann aber schon gefolgt von Frankreich und dem DRV. Die U23-Nationalmannschaft hat sich zehn Tage dezentral an den Stützpunkten und die letzten zwölf Tage in München unter ihrem neuen Bundestrainer Marcus Schwarzrock auf die Titelkämpfe vorbereitet. Wegen zahlreicher überstandener Corona-Erkrankungen während der Vorbereitung entschied man sich, auf den vorgesehenen Flug zu verzichten und fuhr am Freitag (22.Juli 2022) unter sich im Bus nach Italien. In Berlin-Grünau absolvierten die Junioren und Juniorinnen unter dem ebenfalls neuen Bundestrainer Adrian Bretting ihre unmittelbare Wettkampfvorbereitung. Auch hier erschwerten zahlreiche Erkrankungen die Trainingsarbeit. Erst am Dienstag (19. Juli 2022) war die Mannschaft erstmals komplett auf dem Wasser. Am Sonntag (24. Juli 2022) erfolgt die Anreise per Flugzeug über Frankfurt nach Italien.
Bielig: Werden wohl Abstriche machen müssen
Im vergangenen Jahr schnitt der DRV-Nachwuchs bei den Weltmeisterschaften exzellent ab. Die U23-Nationalmannschaft belegte mit zwölf Medaillen (dreimal Gold, sechsmal Silber, dreimal Bronze) den zweiten Rang in der Nationenwertung. Der U19-Nationalmannschaft brachten sieben Medaillen (zweimal Gold, dreimal Silber, viermal Bronze) sogar Rang eins ein. Über ähnliche Ergebnisse wäre Chef-Bundestrainerin Brigitte Bielig sehr glücklich, erwartet sie aber nicht unbedingt: „Die Stimmung ist recht gut und alle werden ehrgeizig sein, aber wegen der aufgetretenen Probleme und vieler neu besetzter Bootklassen werden wir wohl Abstriche machen müssen“, sagt Bielig.
Im U23-Bereich (19 von 22 Bootklassen besetzt) ruhen die DRV-Hoffnungen vor allem auf Alexandra Föster (Ruderclub Meschede), die das Einer-Rennen der Frauen beim Weltcup in Luzern dank eines fulminanten Schlussspurts gewann. Die 20-Jährige wird nun alles daransetzen, ihren im Vorjahr in Racice errungen WM-Titel zu verteidigen. Föster muss mit der Favoritenrolle umgehen und „das kann sie denke ich auch“ (Bielig).
Männer-Doppelvierer gut in Form
Im Männer-Einer ist dem letztjährigen WM-Vierten Jonas Gelsen (Ruderclub Nassovia Höchst) einiges zuzutrauen. Bielig ist zuversichtlich, dass Gelsen die Zwangspause nach einem Fahrradunfall mit Fingerbruch weggesteckt hat und um die Medaillen mitrudert. Bei den abschließenden Relationsrennen in München tat sich zudem der Doppelvierer der Männer mit Paul Berghoff (SC Magdeburg e.V., Abteilung Rudern), Alexander Finger (Berliner Ruder-Club e.V.), Tom Gränitz (Berliner Ruder-Club e.V.) und Oliver Holtz (LRV Mecklenburg-Vorpommern e.V.) hervor, was für Varese durchaus etwas erwarten lässt. Der Männer-Achter ist überwiegend mit Ruderern aus dem jüngeren Bereich besetzt, nachdem fünf U23-Ruderer bereits zum Aufgebot des neuformierten Deutschland-Achters zählen. Die beiden Frauen-Vierer mussten zwischendurch von der UWV abreisen und wurden nach ihrer Rückkehr nach München isoliert untergebracht, konnten die Relationsrennen am Donnerstag (22. Juli 2022) jedoch noch nicht wieder bestreiten.
USA meldet für alle U19-Bootsklassen
Im U19-Bereich (alle 14 Bootklassen besetzt) war die Findung der DRV-Großboote wegen der Corona-Fälle und anderer Krankheiten durchaus problematisch. Dennoch ist man optimistisch, stärker abschneiden zu können als bei der Münchner Junioren-Regatta, dem bisher einzigen internationalen Vergleich, als noch die regionalen Großboote starteten. Die Konkurrenz wird in Varese sehr stark sein. „Es hat sich angedeutet, dass etliche Nationen die Nachwuchsarbeit intensiviert haben“, sagt die Chef-Bundestrainerin. Überraschungen bot das Meldeergebnis aber auch für sie. Dass die USA die weite Reise auf sich nehmen und in allen U19-Bootklassen gemeldet haben, habe es bisher nicht gegeben. Noch erstaunlicher findet Bielig, dass für die WM elf Mädchen-Achter gemeldet wurden und damit sogar einer mehr als bei den Jungen: „So viel Übersee hatten wir bei den Juniorinnen noch nie.“
Die U23-Bootsbesetzungen findet ihr nachfolgend, die der U19 hier.