21. Mai 2024 | Nationalmannschaft | von Hans Strauss

Eine Siegesfahrt, viele Tränen, aber keine Vorwürfe in Luzern

Ein starkes Finish: Der deutsche Männer-Zweier ohne feiert als einziges deutsches Boot den Sieg im Finale und die erfolgreiche Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024. Foto: meinruderbild.
Frederik Breuer, Malte Großmann, Kaspar Virnekäs und Jasper Angl scheiterten nach großem Kampf an den starken Eidgenossen und Italien und verpassten die Olympiaqualifikation. Foto: meinruderbild.
Großer Frust bei Frauke Hundeling und Sarah Wibberenz, nachdem sie den dritten Platz im Finale belegt und sich nicht für die Olympischen Spiele 2024 qualifiziert hatten. Foto: meinruderbild
Emotionale Momente: Paul Leerkamp (links) und Jonathan Rommelmann zeigen ihre Enttäuschung nach ihrem dritten Platz und dem Verpassen der Olympia-Qualifikation. Foto: meinruderbild
Trotz mutigen Starts reicht es nicht: auch der deutsche Frauen-Achter verpasste die Olympia-Qualifikation mit dem vierten Platz. Foto: meinruderbild
Hoffnung geplatzt: Lena Sarassa und Hannah Reif sichern sich trotz Kampfgeistes im Frauen-Zweier ohne Steuerfrau nur den sechsten Platz. Foto: meinruderbild
Erschöpfung nach hartem Kampf: Jasmina Bier und Paul Umbach verpassten die Qualifikation für die Paralympics im PR2 Mixed-Doppelzweier. Foto: meinruderbild
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Die deutsche Fahne über dem Teamzelt am matschigen Bootsplatz, sie wehte natürlich nicht auf Halbmast. Die Stimmung nach der finalen Qualifikation für die Olympischen Spiele hätte das aber angemessen widergespiegelt. Sechs Boote hatten sich um den Seiteneinstieg für das Großereignis in Paris beworben, aber nur eines kam durch am Luzerner Rotsee.

Ein halbes Jahr harter Trainingsarbeit für die Katz, der große Traum von Olympia geplatzt - natürlich flossen die Tränen bei den Ruderinnen des Doppelzweiers, des Zweiers ohne und des ebenfalls gescheiterten Achters in Strömen. Frauke Hundeling und Sarah Wibberenz etwa hatten bei der letzten Weltmeisterschaft in Belgrad noch dazu beigetragen, dass der Doppelvierer das Olympia-Ticket sicherte. Nun wollten sie über ihr neu zugeteiltes Boot, den Doppelzweier, selbst in Frankreich mitrudern. Das bleibt ihnen verwehrt. Oder Melanie Göldner und Alyssa Meyer: Vor drei Jahren hatten sie ebenso wie Hundeling mit dem Achter an gleicher Stelle schon die Qualifikation knapp verpasst. Nun gab es ein Déjà-Vu der unangenehmen Art, während die in dieser Saison zuvor vom DRV-Großboot stets bezwungenen Däninnen wie im Rausch nach Paris fuhren. 

Wohl das letzte Rennen der Karriere

Aber auch die Männer des Vierers ohne und des leichten Doppelzweiers hatten viel Stoff zum Grübeln bei der Heimfahrt, die direkt nach dem Schluss der Regatta angetreten wurde. Für Jonathan Rommelmann beispielsweise, den Silber-Gewinner von Tokio, bedeutete Platz drei - bei dieser speziellen Regatta der erste Verliererrang - wahrscheinlich das letzte Rennen seiner Karriere. Nach Paris werden die letzten Leichtgewichtsklassen aus dem olympischen Programm gestrichen, Coastal Rowing kommt dafür hinein. „Die Medaille von 2021 kann mir keiner nehmen, aber im Augenblick tröstet mich das sehr wenig“, sagte Rommelmann, der nun bald Bewerbungen für seine erste Anstellung als Arzt schreiben wird.

Bei der Siegerehrung für die Athleten, die das „Qualifier“-Schild stolz in die Kameras recken durften, jubelten vor allem die USA (vier Boote), Italien und Dänemark (je drei). Vertreten war auch eine deutsche Mannschaft, die noch etwas weniger zu den Favoriten ihres Finales gehört hatte, als andere. Der Männer-Zweier ohne mit Julius Christ und Sönke Kruse legte jedoch eine überzeugende Siegesfahrt hin. Im Achter waren beide nicht berücksichtigt worden, auch für den Vierer waren sie nicht infrage gekommen – aber sie wollten unbedingt nach Paris und nutzten ihre Chance mit einem Selbstverständnis, das ungefähr der Dimension ihrer imposanten Körpergröße entsprach.

Weihe sieht Weltklasse-Niveau

Das Glück des Tüchtigen war natürlich auch dabei, dass die Beiden im Endspurt gegen Litauen und die Niederlande die Führung verteidigen konnten. „Es war nicht mehr viel drin bei uns. Unser Plan war hart auf Kante genäht, aber es hat geklappt. Schön ausgesehen hat es am Ende wahrscheinlich nicht mehr, aber das ist egal“, sagte der 23-jährige Kruse beim Flash-Interview noch im Boot. Ein schöner Erfolg war die Qualifikation auch für den nur ein paar Jahre älteren Bootstrainer Alexander Weihe, der erst seit diesem Jahr in Dortmund für den Zweier ohne zuständig ist. „Die Jungs waren auf den Punkt fit und haben ein Rennen auf Weltklasse-Niveau gezeigt. Ich bin sehr stolz auf ihre Entwicklung“, sagte Weihe.

Dem Triumph des Zweiers ohne im zweiten Rennen mit deutscher Beteiligung sollten keine weiteren DRV-Erfolgserlebnisse mehr folgen. Cheftrainerin Brigitte Bielig war wie alle anderen enttäuscht, versuchte sich aber an einer realistischen Einordnung. „Dass wir alle Boote ins Finale gebracht haben, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und die Vorbereitung gestimmt hat. Mit einem erreichten Qualifikationsplatz liegen wir unter dem, was wir uns vorgenommen hatte. Besonders unseren drei drittplatzierten Booten – dem Männer-Vierer ohne, dem leichten Männer-Doppelzweier und dem Frauen-Doppelzweier kann ich aber keinen Vorwurf machen. In ihren Rennen sind sie an Grenzen gekommen, die Gegner waren einfach besser. Wichtig ist, dass wir jetzt weitermachen und die Schwächen erkennen.“

Trotzdem eine positive Entwicklung

Sind die Schwächen mittlerweile eher psychischer als physischer Natur? „Seit dem letzten Jahr arbeiten wir mit hohem Aufwand daran, über psychologische Betreuung mehr mentale Stärke aufzubauen. Aber das ist nicht bei allen Athlet:innen schon zur Wirkung gekommen“, sagt Bielig. Sportdirektor Mario Woldt bemühte sich ebenfalls um eine sachliche Einordnung. „Diese Regatta ist sehr emotional, weil es nur Hopp oder Topp gibt, aber im Grunde gibt sie jedem nur einen Realitätscheck. Ich finde, das nackte Resultat ist nicht alleine zu betrachten. Es gab ganz deutliche positive Entwicklungen in den Bootsklassen, auch wenn am Ende „Nicht qualifiziert“ steht. Der Aufwärtstrend ist da, und die Schritte, die wir gegangen sind, sollten wir weitergehen“, sagte Woldt. 

Nun steht fest, dass die Olympia-Mannschaft sieben Boote umfassen wird – immerhin genauso viele wie vor drei Jahren bei den Corona-Spielen von Tokio. „Wir hätten uns mehr erhofft nach den beiden ersten Renntagen. Schade, dass ich nicht mehr Athlet:innen unserer Mannschaft zur Reise nach Paris beglückwünschen konnte“, sagte DRV-Vorsitzender Moritz Petri, der vor Ort war. „Es waren viele dritte Plätze. Wir waren nicht schlecht, aber auch nicht gut genug, um mehr Boote durchzubringen. Jetzt heißt es für die Boote, die wir bei den Spielen dabeihaben werden, die beiden Monate bis dahin gut zur Vorbereitung zu nutzen.“ Im Teamhotel am Sempachersee ist nun Bettenwechsel angesagt. Am Mittwoch reisen unter anderem fünf Boote an, die sich schon vergangenes Jahr für die Spiele qualifiziert haben. Am Freitag beginnt dann die klassische Rotsee-Regatta, der zweite Weltcup dieser Saison.

Es bleibt bei vier Para-Booten in Paris

Für die Paralympics bleibt es bei vier teilnehmenden DRV-Booten. Äußerst beachtlich, denn es gibt nur fünf paralympische Ruder-Wettbewerbe, aber der ehrgeizige Cheftrainer Marc Stallberg hätte gerne eine 100prozentige Abdeckung erreicht. Doch Jasmina Bier und Paul Umbach verpassten das mit ihrem dritten Rang im Finale des Mixed-Doppelzweiers der Klasse PR2. „Wir sind enttäuscht, aber die Mannschaft hat alles gegeben. Wir sind wieder die schnellsten letzten 500 Meter gefahren, aber der Start hätte offensiver sein müssen“, sagte Stallberg. Neues Ziel für Bier und Umbach sei nun Los Angeles 2028: „Die Beiden sind noch jung, wir sehen dieses Jahr einfach als Auftaktsaison.“   

Events

Boote

Vorrennen/Bahnverteilungsrennen 7:20.48 2 . Platz
Finale A 7:27.13 6 . Platz

Vorrennen/Bahnverteilungsrennen 6:18.58 2 . Platz
Finale A 6:31.79 4 . Platz

Vorlauf 3 6:32.51 1 . Platz
Halbfinale A/B 1 6:36.89 2 . Platz
Finale A 6:30.26 1 . Platz

Vorlauf 2 6:01.81 2 . Platz
Hoffnungslauf 2 6:03.23 2 . Platz
Finale A 6:04.54 3 . Platz

Vorlauf 2 7:01.27 1 . Platz
Finale A 7:07.43 3 . Platz

Vorlauf 2 6:21.77 1 . Platz
Finale A 6:28.46 3 . Platz

Vorlauf 2 8:35.17 1 . Platz
Finale A 8:27.14 3 . Platz

Galerien