Der Sommer ist vorbei. Diese grundlegende Erkenntnis vermittelte der erste Tag der Ruder-Weltmeisterschaft in Tschechien. Nicht mehr als feucht-kühle zehn Grad zeigte das Thermometer, als die Wettkämpfe am Sonntag (18.9.2022) eröffnet wurden. Wenigstens regnete es nicht, die Sonne blitzte aber nur spärlich aus dem wolkenverhangenen Himmel. 45 Bus-Minuten benötigt die deutsche Mannschaft vom Team-Hotel im Norden von Prag, um die Regattabahn im ländlichen Račice zu erreichen. Sechs deutsche Boote waren am ersten Tag im Einsatz und sorgten – das kann man zusammenfassend sagen - für einen guten Start des Deutschen Ruderverbandes. Vor allem, weil die beiden Skuller Oliver Zeidler und Alexandra Föster ihre Vorläufe gewannen.
Der amtierende Einer-Weltmeister eröffnete die Titelkämpfe in Račice standesgemäß. 2019 bei der letzten WM hatte sich Oliver Zeidler (Frankfurter RG Germania) als Neueinsteiger zur Verblüffung der Fachwelt in Linz den Titel geholt, drei Jahre später will der Titelverteidiger die Scharte der Heim-Europameisterschaft von München (nur Platz vier) bei der WM auswetzen. Mit seinem Sieg und der in 6:46,31 Minuten schnellsten Zeit der sechs Vorläufe im Männer-Einer setzte der Titelverteidiger gleich ein Zeichen. „Das war ein guter Auftakt, der Spaß gemacht hat. Ich wollte gewinnen und eine gute Zeit fahren. Beides ist gelungen - auch weil der Neuseeländer Jordan Perry nicht aufgegeben hat“, sagte Zeidler.
Der Deutsche lag schon bei der 500-Meter-Marke in Führung, aber Perry sorgte bis ins Ziel für ein Bord-an-Bord-Duell, trieb Zeidler zu einem hohen Streckenschlag und einer entsprechend guten Leistung. „Das Ergebnis zeigt uns, dass sich das Training der letzten Wochen gelohnt hat. Im Viertelfinale am Mittwoch geht es aber wieder von vorne los“, sagte Zeidler. Jeweils die drei Erstplatzierten aller Vorläufe qualifizierten sich direkt für das Viertelfinale, das wegen der hohen Zahl von 40 Teilnehmern ausgefahren wird. Zwei andere Mitfavoriten gaben sich keine Blöße. Europameister Marvin Twellaar (Niederlande) und Olympiasieger Stefanos Ntouskos (Griechenland) gewannen ebenfalls ihre Vorläufe. Der in dieser Saison noch wenig in Erscheinung getretene Kjetil Borch (Norwegen) musste sich hingegen dem Briten Graeme Thomas geschlagen geben.
Föster trotzt den Wellenbergen
Schon gefordert war Alexandra Föster (RC Meschede) in ihrem Vorlauf. Die EM-Dritte von München musste ihn gewinnen, um sich ohne Umweg für das Halbfinale im Frauen-Einer zu qualifizieren. Und das schaffte Föster zur Freude auch ihres Trainers Sebastian Kleinsorgen. „Sie ist es runtergefahren, das war ein Rennen nach Plan“, sagte der Trainer. Bis zur 1000-Meter-Marke lag Föster hinter der Französin Emma Lunatti auf Platz zwei. Das machte sie und Kleinsorgen aber nicht nervös. „Wir kennen Lunatti. Sie geht gerne vorneweg, lässt dann aber nach“, sagte der Trainer, der Föster vom Fahrrad weg ständig mit den aktuellen Abständen versorgte.
Nachdem sie die schwierigen Verhältnisse auf der zweiten Teilstrecke (Kleinsorgen: „Der böige Seitenwind hat für regelrechte Wellenberge gesorgt“) vielleicht auch wegen des verstärkten Techniktrainings seit der EM gut hinter sich gebracht hatte, übernahm Föster die Führung, gab sie nicht mehr ab, und hatte im Ziel sichere 2,71 Sekunden Vorsprung auf Lunatti. „Es ist gut, dass es bis zum Halbfinale am Donnerstag nun drei Tage sind, und auch für den Kopf von Alex war das ein guter Start, der Sicherheit gibt“, sagte Kleinsorgen.
Wolter mit Rang drei ins Viertelfinale
Im Leichtgewichts-Einer der Männer kam Finn Wolter (RC Witten) in seinem Vorlauf auf den dritten Platz. Der reichte aus, um sich für das Viertelfinale dieser Bootsklasse zu qualifizieren. Die Boote aus Uruguay und Slowenien konnte Wolter nicht gefährden, den Konkurrenten aus Dänemark auf Rang vier hielt er sicher in Schach. „Ich bin nicht so gut ins Rennen reingekommen. Das lag an den welligen Bedingungen“, sagte Wolter, der sich im Viertelfinale am Mittwoch steigern will. „Ich brauche oft das erste Rennen, um das Regatta-Feeling zu bekommen. Aber ich spüre jetzt, dass es da ist.“
Dräger als Vierte in den Hoffnungslauf
Einen stark besetzten Vorlauf hatte Marie-Louise Dräger (Schweriner RG) im Leichtgewichts-Einer der Frauen erwischt. Nur die Siegerin qualifizierte sich direkt für das Halbfinale, und das sie Ionela Cozmiuc heißen würde, war eigentlich eine ausgemachte Sache. Die rumänische Europameisterin ruderte dann auch in einer eigenen Liga und gewann mit riesigem Vorsprung. Dräger wurde Vierte und musste dabei auch der Schweizerin Eline Rol, die sie in dieser Saison bisher hinter sich gelassen hatte, und der Australierin Georgia Nesbitt den Vortritt lassen. „Den Vorlauf zu gewinnen, war von vorneherein ein schwieriges Unterfangen, aber ich hatte auch etwas viel Respekt vor dem Rennen und habe nicht den besten Start erwischt““, sagte Dräger. Die bis ins Ziel „immer höher werdenden Wellen“ machten es für sie nicht einfacher.
Da der Hoffnungslauf am Dienstag ohnehin nicht zu umgehen war, ruderte sie das Rennen kraftsparend zu Ende, hielt aber immerhin den Kontakt zu Nesbitt. „Ich muss im Hoffnungslauf Zweite werden, um das Halbfinale zu erreichen. Von daher weiß ich, dass ich einen Schritt weitergehen muss“, sagte die Dauerbrennerin im Nationalteam, der nach der WM ihre lange Karriere beenden wird.
Leerkamp/Gaus mit Rang zwei im Viertelfinale
Im Leichtgewichts-Doppelzweier der Männer treten Paul Leerkamp und Arno Gaus (Osnabrücker RV/Bonner RG) als Nachfolger des olympischen Silber-Duos Osborne/Rommelmann in große Fußstapfen, beiden konnten die guten Eindrücke aus dem letzten WM-Trainingslager aber zum Start bestätigen. Rang vier hätte den beiden Deutschen auch für das Viertelfinale gereicht, aber sie ruderten in ihrem Vorlauf auf den zweiten Platz hinter den EM-Dritten Schäuble/Yahumda-Ireland aus der Schweiz. Nach den ersten 500 Metern nur Vierter, zogen Leerkamp/Gaus auf der zweiten Teilstrecke an und lagen bei 1000 Metern schon auf dem zweiten Rang vor China und Spanien. Diese Position brachten sie sicher ins Ziel. „Das Ergebnis war in Ordnung, die Schweizer hatten wir als stark erwartet. Ruderisch war es bei Wind und Wetter etwas unsauber“, sagte Trainer Tim Schönberg.
Appel/Wolff retten sich als Vierte ins Viertelfinale
Die EM in München ausgelassen hatten Max Appel und Moritz Wolff (SC Magdeburg/Berliner RC) im Doppelzweier der Männer, um sich bei der WM physisch in Bestform vorzustellen. Der Start geriet aber holprig. Beide schafften es im Fünfer-Feld ihres Vorlaufs nur auf den vierten Platz, satte 8,29 Sekunden hinter dem Sieger Spanien. Zwischendurch schien Usbekistan den beiden Deutschen sogar die direkte Qualifikation für das Viertelfinale streitig machen zu können, am Ende legten Appel/Wolff aber doch eine Bootslänge zwischen sich und die Usbeken, die in den Hoffnungslauf müssen. „Das war weit unter dem, was beide in der Lage sind zu leisten. Max war nach dem Rennen völlig fertig, da müssen wir nun sehen, woran das lag“, sagte Trainer Tim Schönberg.
Am Montag geht es ab 9.30 Uhr bei der WM weiter. World Rowing überträgt alle Rennen auf seiner Webseite.