Die Sonne ließ sich erst blicken, als die meisten Rennen schon vorüber waren. Aber die Tribünen bei der Ruder-Weltmeisterschaft im tschechischen Racice füllen sich langsam und damit gibt es endlich auch ein bisschen mehr Stimmung auf der weit weg von der Metropole Prag gelegenen Ruderanlage. Im deutschen Lager richteten sich die Blicke am vierten WM-Tag (21.9.2022) vor allem auf Skuller-Weltmeister Oliver Zeidler, der sich zwar locker für das Halbfinale des Männer-Einers qualifizierte, das Prestige-Duell mit Europameister Marvin Twellaar aber früh verloren gab. Neben den Para-Athleten Manuela Diening (Finaleinzug) und Marcus Klemp (Halbfinaleinzug) sorgten auch A-Kader-Skuller für Freude. Der leichte Männer-Doppelzweier und der Frauen-Doppelzweier stehen im Halbfinale.
Manuela Diening (RV Münster) bestreitet das Finale des Para-Frauen-Einers PR1. Sie belegte in ihrem Hoffnungslauf den dritten Platz hinter Frankreich und Israel und kann nun nach Silber bei der Europameisterschaft vielleicht nach einer weiteren Medaille greifen. „Wir sind zufrieden, das Finale ist erreicht. Der Verlauf des Hoffnungslaufes lässt für Manuela auf ein spannendes Rennen am Sonntag hoffen“, sagte ihr Trainer Sebastian Fuchs.
Auch das zweite deutsche Para-Boot lieferte Grund zur Freude. Marcus Klemp (OR Rostock) überraschte im Männer-Einer PR1 mit seinem Sieg im Hoffnungslauf. Gleich zu Beginn setzte er sich auf Position zwei hinter dem Brasilianer Rene Campos Pereira. Dann zeigte sich, dass Klemp von den veränderten Hebeln in seinem Boot profitierte und auf den letzten 600 Metern großes Stehvermögen zeigte. Bei 1500 Metern lag er noch knapp fünf Sekunden hinter Campos Pereira, auf dem Zielstrich hatte er ihn um neun Hundertstelsekunden überflügelt. „Marcus hat trotz seines Trainingsrückstands gezeigt, dass er zu den Topfahrern seiner Klasse gehört“, sagte Trainer Jochen Weber. Im Halbfinale am Freitag soll deshalb noch nicht Schluss sein, auch wenn Platz acht und der Kaderstatus das Primärziel darstellen.
Zeidler spart Kraft für hartes Halbfinale
Oliver Zeidler hatte für sein Viertelfinale im Männer-Einer zwei Ziele – nur eines konnte er verwirklichen. Mit Platz zwei qualifizierte er sich problemlos für das Halbfinale, aber das angestrebte Ausrufezeichen mit dem Sieg gegen Melvin Twellaar gelang ihm nicht. Der Europameister aus den Niederlanden fuhr Zeidler (Frankfurter RG Germania) an der 1500-Meter-Marke zügig davon und gewann das Rennen. Für Olli war das kein größeres Problem: „Melvin ist stark, das hat er schon bei den Europameisterschaften gezeigt. Deshalb ist es keine Schande, gegen ihn zu verlieren. Für mich ist er der klare Favorit auf den WM-Titel.“ Dass er Twellaar bei dessen Überholmanöver nichts mehr entgegensetzte, erklärte Zeidler so: „Bei einem Viertelfinale muss man entscheiden, ob man Kräfte schont oder ‚all in‘ geht. Ich habe mich heute gegen Letzteres entschieden. In den Halbfinals gibt es harte Setzungen, das könnten bei Weltcups Finals sein. Von daher war es, glaube ich, die richtige Entscheidung, heute nicht alles zu geben.“
Trainer Heino Zeidler bewertete das Viertelfinale mit „mehr Licht als Schatten. Wir hätten das Rennen natürlich gerne gewonnen, aber dieser Holländer ist seit der Europameisterschaft in einem Flow und das Maß der Dinge. Er ist ruhiger gefahren als Olli und hat ihn dennoch überholt. Er ist der Favorit.“ Taktisch – sein Sohn ging mit einem 39er-Schlag schnell an – sieht er keine Veranlassung, etwas zu verändern: „Wir haben im Quervergleich der Viertelfinals die schnellste Zeit auf den ersten 1000 Metern, wir haben die zweitschnellste Zeit nach 1500 Metern, bevor wir rausgenommen haben. Wir werden es im Halbfinale taktisch wieder so versuchen, dass wir uns vor das Feld setzen und das Ding dann aber durchtreten.“
Bei der Auslosung der beiden Halbfinals sehen die Zeidlers einen Vorteil für sich. „Wir haben den starken Briten Graeme Thomas drin, aber die anderen großen Namen sind im anderen Halbfinale.“ Dort treffen Twellaar, der Grieche Stefanos Ntouskos und der Norweger Kjetil Borch aufeinander. Zeidler startet am Freitag um 11.26 Uhr.
Trotz Kampfes: Wolter nun im C/D-Halbfinale
Im Leichtgewichts-Männer-Einer schaffte Finn Wolter (RC Witten) den Einzug ins A-Halbfinale nicht. Als Vierter seines Viertelfinal-Laufes muss der 21-Jährige nun im Halbfinale C/D weiterrudern. Bei der 1000-Meter-Marke lag Wolter hinter dem lange klar führenden Schweizer Struzina und dem Australier Harding noch auf der wichtigen dritten Position. Doch dann verdrängte ihn der stark aufkommende Mexikaner Garcia von Rang drei und gewann das Rennen auf der Außenbahn sogar noch. Wolter zog einen Endspurt an und fuhr auf den Australier auf, der aber konterte und Wolter musste seine Bemühungen vor dem Ziel abbrechen. Garcia, Harding und der nachlassende Struzina kamen weiter. „Ich habe mich voll an den Rennplan gehalten und alles gegeben. Wenn es dann nicht reicht, muss man das akzeptieren“, sagte Wolter. Er will weiter kämpfen. „Ich komme ja gerade erst aus dem U23-Bereich und lerne noch. Wenn man dort nach 1300 Metern seine Bugspitze vorne hat, gewinnt man meistens. Im A-Bereich geht das Rennen dann erst richtig los.“
Leerkamp/Gaus schütteln Esten noch ab
Im Leichtgewichts-Männer-Doppelzweier verlief das Viertelfinale mit Paul Leerkamp (Osnabrücker RV) und Arno Gaus (Bonner RG) äußerst spannend. Beide mussten alles geben, um mit dem dritten Platz den als Mindestziel ausgegebenen Halbfinaleinzug zu erreichen. Bis zur 1000-Meter-Marke sah es nach einem Vierkampf zwischen Portugal, Deutschland, Estland und Norwegen um die drei Qualifikationsplätze aus. Dann setzten sich Portugal und Norwegen, das am Ende knapp gewann, vorne ab und es entwickelte sich aber ein enges Duell zwischen dem deutschen Boot und den Esten Koppel/Loot um Rang drei. Bei 1500 Metern hatten Leerkamp und Gaus dabei nur um fünf Hundertstelsekunden die Bugspitze vorne. Aber sie konnten den Konkurrenten noch abschütteln und im Ziel war es mit 1,52 Sekunden Differenz zu Estland dann deutlich.
„Wir hatten alles so erwartet. Nur hätten wir uns gedacht, dass Paul und Arno etwas früher stabil vor den Esten sind. Aber unter dem Strich sind sie ein gutes komplettes Rennen gefahren und auch eng am Spitzenduo drangeblieben“, sagte Trainer Tim Schönberg. Im Halbfinale, das bereits am Donnerstag (11.35 Uhr) gefahren wird, erwartet seine Schützlinge nun eine mindestens so harte Aufgabe.
Sicherer Sieg für Hundeling/Greiten
Nichts anbrennen ließ der deutsche Frauen-Doppelzweier in seinem Hoffnungslauf. Platz drei hätte Frauke Hundeling (Deutscher RC Hannover) und Pia Greiten (Osnabrücker RV) schon gereicht, um ins Halbfinale einzuziehen, aber das routinierte Duo ruderte zu einem sicheren Sieg. Bei der 1000-Meter-Marke lagen die beiden noch 0:17 Sekunden hinter Kanada auf Rang zwei, zogen mit einem Zwischenspurt dann aber schnell auf die Führungsposition und gaben sie bis ins Ziel nicht mehr ab. Am Ende hatten Hundeling/Greiten eine Länge Vorsprung vor der Schweiz, Kanada zog ebenfalls noch ins Halbfinale ein. „Das war wieder ein Schritt nach vorne, wir haben uns stabilisiert“, sagte Trainer Alexander Schmidt. Nun haben seine Schützlinge wieder einen Tag Pause, bevor am Freitag das Halbfinale (12.16 Uhr) wartet. „Das wird knüppelhart“, erwartet Schmidt, „aber wir versuchen, ins Finale zu kommen.“
Und das bringt der Donnerstag
Langsam kommt die „Crunch Time“, die entscheidende Phase bei dieser WM. Und das Wetter soll auch endlich besser werden. Die satte Zahl von 40 Rennen stehen am fünften Tag der Titelkämpfe auf dem Programm, überwiegend Halbfinals. Fünf Mal sind DRV-Boote im Rennen: der leichte Frauen-Doppelzweier (11.05 Uhr), der leichte Männer-Doppelzweier (11.15 Uhr), der Männer-Vierer (12.15 Uhr), der Frauen-Doppelvierer (12.35 Uhr) in den A/B-Semifinals und der leichte Männer-Einer im C/D-Semifinale (15 Uhr). Vorab bestreitet der deutsche Para-Mixed-Doppelzweier PR2 seinen Hoffnungslauf (9.30 Uhr).