Zwei Höhepunkte bescherte der vorletzte Tag der Ruder-Weltmeisterschaft im tschechischen Racice (24.9.2022) der deutschen Nationalmannschaft. Der Para-Mixed-Vierer mit Steuerfrau in der Klasse PR3 holte sich überraschend die Silber-Medaille. Nach drei Mal Bronze am Freitag bedeutete dies das vierte Edelmetall für den Deutschen Ruderverband. Erfreulich war auch der Auftritt des Männer-Vierers, der das B-Finale in einem spannenden Endspurt gewann. Für die acht A-Finals in olympischen Klassen, die am Samstagnachmittag ausgetragen wurden, hatte sich kein deutsches Boot qualifiziert.
Überraschende Erfolge sind immer die Schönsten. Entsprechend groß war die Freude beim Para-Mixed-Vierer mit Steuerfrau PR3 nach dem zweiten Platz im A-Finale. Schon bei der ersten Zwischenzeit nach 500 Metern lag das deutsche Boot mit Susanne Lackner (Mannheimer RV Amicitia), Jan Helmich (RC Hansa Dortmund), Marc Lembeck, Kathrin Marchand (beide RTHC Bayer Leverkusen) und Steuerfrau Inga Thöne (Ulmer RC Donau) auf dem zweiten Platz hinter Großbritannien. Daran änderte sich bis ins Ziel nicht mehr. Das britische Boot hatte satte 18,60 Sekunden auf das deutsche, mit weiteren 5,10 Sekunden Rückstand landete Frankreich auf dem Bronzerang.
„Bronze hatten wir erhofft, Silber ist eine große Überraschung“, sagte Trainer David Schäfer. „Wir hatten Frankreich noch einmal analysiert und haben die Schwachstellen effektiv genutzt. Dass wir auch Australien hinter uns lassen könnten, haben wir nicht geahnt.“ Dass Kathrin Marchand während der Europameisterschaft in München die Zulassung erhielt, gab dem Boot einen großen Leistungskick. Bei der EM reichte es gleich zu Bronze. „Damals war es für mich und alle ein Sprung ins kalte Wasser. Mit meinem Wechsel auf die Schlagposition in der WM-Vorbereitung konnten alle ihre Stärken noch besser zur Geltung bringen“, sagte Marchand, die zwei Mal an den Olympischen Spielen teilgenommen hat. „Der Knoten ist geplatzt, als wir im Hoffnungslauf Frankreich geschlagen haben. Danach haben wir gesagt, jetzt ist auch Australien dran“, sagte Inga Thöne.
In den vier B-Finals mit deutscher Beteiligung zeigte der Männer-Vierer die herausragende Leistung. Nach 1500 Meter lagen Theis Hagemeister (Frankfurter RG Germania), Malte Großmann (RC Favorite Hammonia), Max John (Olympischer RC Rostock) und Marc Kamann (Der Hamburger und Germania RC) auf dem vierten Rang, doch in einem mitreißenden Finish fuhren sie noch ganz nach vorne und entrissen Irland mit acht Hundertstelsekunden Vorsprung den Sieg. Zeiten sind im Rudern zwar schwer zu vergleichen, aber bei ähnlichen Bedingungen war der deutsche Vierer zehn Sekunden schneller als zwei Tage zuvor im WM-Halbfinale. Nach Rang 7 bei der EM nun auch Rang 7 bei der WM – Trainerin Sabine Tschäge war „ein bisschen stolz auf die Jungs. Das haben sie sich wirklich erarbeitet“. Auch vom leichten Seitenwind hätte sich die Mannschaft nicht mehr aus der Ruhe bringen lassen. Max John habe die Doppelbelastung mit Vierer und Achter gut verkraftet und nehme Zusatzmotivation mit in das B-Finale des Großboots am Sonntag. „Wir sind als Team – zusammen mit Sabine Tschäge, die uns weit nach vorne gebracht hat – zusammengewachsen“, sagte Malte Großmann.
Leerkamp/Gaus auf Gesamtrang zehn
Der Leichtgewichts-Frauen-Doppelzweier mit Marion und Johanna Reichardt (beide Akademischer RC Würzburg) hatte im B-Finale nichts mehr zuzusetzen und beendete es mit großem Rückstand auf dem sechsten und letzten Platz. In der WM-Gesamtwertung bedeutete das Rang zwölf.
Der Leichtgewichts-Männer-Doppelzweier mit Paul Leerkamp (Osnabrücker RV) und Arno Gaus (Bonner RG) kam nach Rang sechs im Halbfinale im B-Finale auf den vierten Platz. Im Schlusspurt überholte Spanien mehrere Boote, darunter die Deutschen, noch und kam auf Platz zwei. In der WM-Gesamtwertung kam Leerkamp/Gaus auf den guten zehnten Rang.
Nach dem sechsten Platz im Halbfinale kam der Frauen-Doppelvierer mit Sophia Krause (Limburger Club für Wassersport), Sarah Wibberenz (RC-Havel Brandenburg), Tabea Kuhnert (SC Magdeburg) und Sophie Leupold (Pirnaer RV) auch im B-Finale nicht über den sechsten und letzten Platz hinaus, über 13 Sekunden hinter dem Sieger Litauen. Das bedeutete Rang zwölf in der Gesamtwertung.
Im B-Finale des Para-Mixed-Zweiers PR2 ruderten Leopold Reimann (Rüdersdorfer RV Kalkberge) und Sylvia Pille-Steppat (Wilhelmsburger RC) hinter Sieger Brasilien auf den zweiten Rang und wurden damit Gesamt-Achter.
Und das bringt der Sonntag
Am WM-Schlusstag gibt es noch vier Möglichkeiten für die deutsche Mannschaft, das Medaillenkonto weiter aufzubessern. Der Höhepunkt aus deutscher Sicht bildet der Showdown im Männer-Einer (14.44 Uhr). Oliver Zeidler (Frankfurter RG Germania) wird alles daran setzen, seinen 2019 bei der letzten WM errungenen Titel zu verteidigen. Das Feld besteht aus der Creme de la creme des Skulls. Zeidler hat die Bahn drei, links von ihm fahren der immer gefährliche Kjetil Borch (Norwegen) und Olympia-Sieger Stefanos Ntouskos (Griechenland). Rechts neben sich hat Zeidler Europameister Melvin Twellaar (Niederlande), den aufstrebenden Briten Graeme Thomas und Jordan Parry (Neuseeland). „Alle werden mit einem Messer im Mund antreten“, beschrieb Zeidler nach seinem überzeugenden Halbfinalsieg bildlich, was ihn erwarten wird. Die Enttäuschungen bei den Olympischen Spielen in Tokio (Aus im Halbfinale) und bei der Heim-EM in München (Platz vier) sind für ihn kein Thema mehr.
Bescheidenere Ziele als der blonde Hüne hat der Frauen-Doppelzweier mit Frauke Hundeling (Deutscher RC Hannover) und Pia Greiten (Osnabrücker RV), der als zweites deutsches Boot das A-Finale erreicht hat. Gegner ab 13.54 Uhr sind Irland, Rumänien, die Niederlande, Österreich und die USA. „Ich bin stolz auf die Beiden, dass sie es ins Finale geschafft haben“, sagt Trainer Alexander Schmitt. „Wir sind nicht die Favoriten, wir sind mit der sechsten Zeit hineingekommen. Jetzt zählt jeder Platz. Vielleicht schaffen wir es, die Weltspitze ein bisschen zu ärgern. Rang vier wäre wirklich hervorragend.“
Außerdem starten Alexandra Föster (RC Meschede) im B-Finale des Frauen-Einers (12.20 Uhr) und der Deutschland-Achter in seinem B-Finale (14.10 Uhr). Dort sind Tschechien, China, Italien und die Ukraine die Gegner für die junge Crew von Trainer Uwe Bender, die zumindest für einen versöhnlichen WM-Abschluss sorgen will.
In den beiden Para-Einern der Klasse PR1 geht es für die deutschen Starter noch einmal um Medaillen. Markus Klemp (OR Rostock) startet um 13.05 Uhr, im folgenden Rennen ab 13.20 Uhr tritt dann die EM-Zweite Manuela Diening (RV Münster) an.
World Rowing überträgt alle Rennen auf seiner Internetseite. Das ZDF zeigt einen WM-Beitrag in der "sportstudio reportage" am Sonntag ab 17.10 Uhr. In der ARD-Sportschau wird ab 19.15 Uhr über die WM berichtet. Auch im Hörfunk geht es um Rudern. Im "Sportgespräch" des Deutschlandfunks ab 23.30 Uhr sind DRV-Sportdirektor Mario Woldt und Cheftrainerin Brigitte Bielig zu Gast.