Der personelle Umbruch in der deutschen Ruder-Nationalmannschaft hat nicht ganz unerwartet zu einem zähen Start in die Europameisterschaft im Rahmen der European Championships geführt. Auf der Olympia-Regattastrecke in München-Oberschleißheim kam am Donnerstag (11.8.2022) nur Einer-Mitfavorit Oliver Zeidler direkt weiter. Trotz eines verpatzten Starts gewann der Titelverteidiger seinen Vorlauf souverän und erreichte damit das Halbfinale am Samstag.
Fünf weitere DRV-Boote mussten wegen weniger Starter nur Bahnverteilungsrennen absolvieren und stehen schon in den A-Finals. Dazu zählt auch der Deutschland-Achter, der trotz seiner personellen Probleme Rang zwei hinter Topfavorit Großbritannien erreichte. Neun deutsche Boote müssen dagegen den Umweg über die Hoffnungsläufe am Freitag nehmen. Darunter überraschend auch Alexandra Föster, die in ihrem Vorlauf des Frauen-Einers nur Vierte wurde und den direkten Weg ins Halbfinale verpasste. DRV-Cheftrainerin Brigitte Bielig fühlte sich an den Vorlauf-Tag beim Weltcup-Finale in Luzern erinnert. „Damals war ich auch sehr deprimiert. Aber in den Hoffnungsläufen sind dann doch einige Boote weitergekommen. Ich bin überzeugt, dass uns das am Freitag auch gelingt. Dafür brauchen wir bessere Zeiten und müssen die Rennen auch entschlossen zu Ende bringen.“
Föster schafft es nicht unter Top-Drei
Im Vorfeld waren ihre Konkurrentinnen aus Griechenland und aus der Schweiz als stark eingestuft worden, aber auch an der Ruderin aus Norwegen biss sich Alexandra Föster (RC Meschede) bei für Oberschleißheim typischem Gegenwind die Zähne aus. Als die Luzern-Siegerin und U23-Weltmeisterin einige 100 Meter vor dem Ziel einsah, dass es nicht mehr für einen der drei ersten Plätze und die direkte Qualifikation für das Halbfinale reichen würde, nahm sie das Tempo stark heraus, um Kraft zu sparen. Nun muss Föster im Hoffnungslauf am Freitag (10.18 Uhr) eine erfolgreiche Zusatzschicht einlegen. Rang drei würde schon reichen.
Zeidler kann über Startproblem lachen
Oliver Zeidler (Frankfurter RG Germania) war froh, dass er sich das Zusatzrennen wegen des kraftraubenden Winds ersparen konnte. Über seinen Fauxpas beim Start konnte er nach seinem Vorlauf-Sieg schmunzeln. „Ich hatte das Gefühl, dass die Blätter nicht ganz im Wasser standen und ich war mir auch nicht sicher, dass das neue Startsystem richtig funktioniert“, erklärte Zeidler, warum er ausgerechnet auf seiner Trainingsstätte einen Schlag nach der Konkurrenz losfuhr. „Das war ein bisschen unglücklich, schließlich bin ich hier ja schon mehr als 1000 Mal gestartet.“ Bis zur 500-Meter-Marke hatte er die Konkurrenten schon eingeholt, bei 1400 Metern nahm er dem Bulgaren Kristian Vasilev die Führung ab und verteidigte sie sicher bis ins Ziel. Beide Vorlauf-Erste qualifizierten sich direkt für das Halbfinale. Siege gelangen auch dem griechischen Olympiasieger Stefanos Ntouskos und dem Norweger Kjetil Borch, den beiden Mitfavoriten neben Zeidler.
Trainer Uwe Bender fand das Auftreten des Deutschland-Achters im Bahnverteilungsrennen „sehr erfreulich“. Am Sieg des starken Großboots aus Großbritannien war erwartungsgemäß nicht zu rütteln, aber das DRV-Flaggschiff mit Olaf Roggensack (RC Tegel), Jasper Angl (RV Neptun Konstanz), Julian Garth, Laurits Follert (beide Crefelder RC), Benedict Eggeling (RC Favorite Hammonia), Tom Tewes (Münchner RC), Wolf-Niclas Schröder (Ruder-Union Arkona Berlin), Torben Johannesen (RC Favorite Hammonia) und Steuermann Jonas Wiesen(RG Treis-Karden) verkürzte den Rückstand auf die Briten im Vergleich zum Weltcup-Finale in Luzern. Fast wichtiger fand Bender, dass das neugebildete Boot der Niederlande und Rumänien nach Rückkehr zur stärksten Besetzung in Schach gehalten werden konnten. Das bringe Selbstvertrauen bei seinen Ruderern – nach der notwendig gewordenen Umbesetzung am Schlag (Torben Johannesen ersetzte den verletzten Mattes Schönherr ohne Probleme) besonders wichtig.
Ocik kündigt Rückkehr nach Dortmund an
Hannes Ocik, in Tokio noch Schlagmann des Achters und aktuell bei der EM in seiner Wahlheimat München als TV-Experte aktiv, gab nach einem längeren Gespräch mit Bender bekannt, dass er seinen Ausflug ins Skuller-Lager beendet und in den Riemen-Bereich nach Dortmund zurückkehren wird. „In vertrauten Gewässern“ will Ocik sein Ziel, die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris, verwirklichen. „Wir können starke Leute wie ihn gebrauchen, da unsere Decke sehr dünn ist“, sagt Bender. Ob es für Ocik gleich zurück in den Achter gehe, müsse man abwarten: „Er kennt den Qualifikationsprozess.“
Für den deutschen Männer-Vierer war die Vorlauf-Hürde hoch, wie für einige andere Boote auch. Nur der Sieger zog direkt ins A-Finale ein. „Wir sind nicht gut ins Rennen reingekommen. Danach fehlte etwas der Biss, weil wir wussten, dass nur der Erste ins Finale kommt und vorne mit Großbritannien eine sehr starke Mannschaft war“, sagte Malte Großmann (RC Favorite Hammonia). So kam für ihn und Theis Hagemeister (Münchner RC), Max John (Olympischer RC Rostock) und Marc Kammann (Der Hamburger und Germania RC) nur Rang vier heraus. Für den Hoffnungslauf versprach Marc Kammann aber: „Wir wollen ins A-Finale und werden morgen den Schalter umlegen.“ Anders war die Ausgangssituation beim Frauen-Vierer. „Wir fahren erst seit gut einer Woche zusammen und sind ohne große Erwartungen ins Rennen gegangen“, sagte Paula Hartmann nach dem fünften Platz im Vorlauf. Im Hoffnungslauf gibt es für Christin Stöhner (SV Energie Berlin), Paula Rossen (RC Allemannia), Hartmann (Mainzer RV) und Hanna Winter (Lübecker RG) immerhin noch die Chance, das Finale zu erreichen.
Eine erfolgreiche Zusatzschicht einlegen wollen am Freitag auch Lena Osterkamp (Deutscher Ruder-Club) und Marie-Catherine Arnold (Hannoverscher RC) im Frauen-Zweier ohne (5. Platz im Vorlauf), Marie-Louise Dräger (Schweriner RG) im leichten Frauen-Einer (Rang vier), die Zwillinge Marion und Johanna Reichardt (beide SC DHfK Leipzig) im leichten Frauen-Doppelzweier (Platz 5), der Frauen-Doppelvierer mit Sarah Wibberenz (RC Havel-Brandenburg), Frauke Hundeling (Deutscher Ruder-Club), Marie-Sophie Zeidler (Donau-RC Ingolstadt) und Pia Greiten (Osnabrücker RV) (wurden 3.) und der Frauen-Achter (4. Rang). Ihn bildeten Hannah Reif (RK am Wannsee), Lena Sarassa (Crefelder RC), Melanie Göldner (RC Potsdam), Alyssa Meyer (RC Tegel), Nora Peuser (RU Arkona Berlin), Tabea Kuhnert (SC Magdeburg), Lisa Gutfleisch (Heidelberger RK), Katha Fuhrmann (Laubegaster RV Dresden) und Steuerfrau Larina Hillemann (Lübecker RG).
Der Frauen-Doppelzweier mit Judith Guhse (Rendsburger RV) und Sophie Leupold (Pirnaer RV) musste nach Rang vier im Vorlauf bereits am Donnerstagnachmittag zum Hoffnungslauf antreten. Platz zwei hinter der Ukraine brachte den Einzug ins Halbfinale.
Nur zwei EM-Meldungen gibt es für den leichten Männer-Doppelvierer. Italien vor Deutschland mit Simon Klüter (Mannheimer RV), Johannes Ursprung (Frankfurter RG Germania), Fabio Kress und Joachim Agne (beide Akademischer RK Würzburg) hieß es im Bahnverteilungsrennen, am Samstag sehen sich beide Boote im Finale wieder.
Diening im Para-Einer Zweite
Bei den Para-Wettbewerben standen für die DRV-Starter ausschließlich Bahnverteilungsrennen an. Im Frauen-Einer PR1 ruderte Manuela Diening (RV Münster) auf den zweiten Platz. Der Mix-Zweier PR2 mit Leopold Reimann (RV Rüdersdorf) und Sylvia Pille-Steppat (Wilhelmsburger RC) wurde Fünfter. Auf Rang vier beendete der Mix-Vierer PR3 mit Jan Hellmich (RC Hansa Dortmund), Susanne Lackner (Mannheimer RV Amicitia), Claire-Marie Edwige Janecki (Mannheimer RV), Marc Lembeck (RTHC Leverkusen) und Steuerfrau Inga Thöne (Ulmer RC Donau) sein Rennen.
Alle Ergebnisse findet ihr hier.
Auch morgen werden die Rennen wieder im Livestream von ARD und ZDF zu sehen sein.