Der Deutsche Ruderverband reist mit insgesamt sechs Medaillen – davon drei in den olympischen Bootsklassen – im Gepäck von der Ruder-WM aus Linz ab. Sowohl Oliver Zeidler im Einer als auch der Deutschland-Achter sorgten mit ihren Siegen für einen goldenen Abschluss und Gänsehautmomente an der Regattastrecke in Linz-Ottensheim. Zudem haben sich sechs Boote direkt für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio qualifiziert. Mit diesen Ergebnissen liegt man allerdings hinter den eigenen Erwartungen zurück.
Oliver Zeider ist der stärkste Ruderer der Welt
Was für eine unglaubliche Geschichte. Erst vor drei Jahren ist Oliver Zeidler (Donau-Ruder-Club Ingolstadt e.V.) zum ersten Mal in ein Ruderboot gestiegen – seit heute ist der stärkste Ruderer der Welt. Wie sein Spiegel prophezeit hat. In einem Herzschlagfinale sicherte er sich am Ende mit drei Hundertstel Vorsprung die Goldmedaille vor dem Dänen Sverri Nielsen und dem Norweger Kjetil Borch. Nach dem Start übernahm zunächst der Däne das Tempo, Olli schloss auf und ging mit 0,25 Sekunden Vorsprung auf die zweiten 500 m. Zusammen mit den Booten aus Norwegen und Holland konnten sich diese vier ein Stück absetzen. Nach Streckenhälfte war es der Holländer, der sein Bug vorne hatte. Als Vierter, mit 0,69 Sekunden Vorsprung ging Zeidler auf die letzten 500 m. Jetzt hieß es, alles oder nichts. Zeidler entschied sich für alles und schob sein Bug nach einem starken Schlussspurt als Erster über die Ziellinie – ein Gänsehautmoment. Als die Anzeigetafel Olli als „Winner“ zeigte, war der Jubel groß. „Nach 1.000 m hatte ich gesehen, dass der Däne und Niederländer vor mir sind. Auf den letzten Metern habe ich dann alles gegeben und am Ende hat es halt für den Weltmeistertitel gereicht, das ist natürlich umso schöner. Ich bin jetzt Europameister und Weltmeister, den dritten Schritt kann sich jetzt ja jeder denken“, freut sich Zeidler über den bisher größten Erfolg in seiner noch jungen Karriere.
Deutschland-Achter verteidigt Titel
In einem weiteren Herzschlagfinale hat der Deutschland-Achter seinen Weltmeistertitel erfolgreich verteidigt. Nach einem gutem Start und 45-er Schlagzahl konnten sich Johannes Weißenfeld, Laurits Follert, Jakob Schneider, Torben Johannesen, Christopher Reinhardt, Malte Jakschik, Richard Schmidt, Schlagmann Hannes Ocik und Steuermann Martin Sauer (RC Westfalen Herdecke/Crefelder RC/RK am Baldeneysee/RC Favorite Hammonia/RV Dorsten/RV Rauxel/RV Treviris Trier/Schweriner RG/Berliner RC) auf den ersten 500 m in Führung setzen. Nur 0,25 Sekunden vor Australien ging es auf die zweite Streckenhälfte. Mit einer Geschwindigkeit von 23 km/h konnte sich das DRV-Flaggschiff zwischenzeitlich einen Bugkasten Vorsprung rausrudern. Auf der Außenbahn kamen aber die starken Holländer immer näher. Nur drei Zehntel trennten die beiden Boote 500 m vor dem Ziel. Der Endspurt sollte entscheiden. Angefeuert von den tausenden Zuschauern auf den Rängen hatte das grüne Boot sein Bug immer ein Stück vorne. Am Ende holten die Jungs von Trainer Uwe Bender mit 55 Hundertstel Vorsprung vor Holland die Goldmedaille. Mit einer Endzeit von 5:19, 41 Min blieben sie nur 73 Hundertstel über Weltbestzeit. „Die Freude ist riesig. Darauf haben wir die letzten drei Jahre hingearbeitet. Das war das wichtigste WM-Rennen, das wollten wir gewinnen. Wir haben nach der Niederlage in Rotterdam die richtigen Schlüsse gezogen. Dass die Holländer hier so ein Feuerwerk abfackeln, damit konnten wir nicht rechnen“, so Jakob Schneider. Trainer Uwe Bender hat richtig gelitten beim Rennen seiner Jungs. „Das war schon sehr spannend. Aber die Jungs haben den Plan sauber ausgeführt. Wir wussten, dass einige Mannschaften da vorne mitfahren können, hatten aber nicht erwartet, dass die Holländer so nah drankommen können.“
Pille-Steppat wird Fünfte
Sylvia Pille-Steppat (Wilhelmsburger RC) hat die WM auf dem fünften Rang beendet. Die Hamburgerin hatte mit dem Finaleinzug am Freitag bereits das Ticket für die Paralympischen Spiele gelöst. „Hier eine Medaille zu holen ist schwierig. Da gibt es auf jeden Fall drei Athletinnen, die schneller sind als ich. Platz vier oder fünf ist realistisch“, so Pille-Steppat vor dem Rennen. Und sie sollte Recht behalten. An der Spitze machte wie zu erwarten die Titelverteidigerin aus Norwegen das Tempo. Pille-Steppat lag nach 500 m schon einige Längen zurück auf Rang fünf, noch vor der US-Amerikanerin. Im weiteren Rennverlauf musste sie die Boote an der Spitze weiter ziehen, verteidigte ihren fünften Rang aber souverän.
Männer-Doppelzweier löst Olympia-Ticket
Mindestens Fünfter mussten Tim Ole Naske und Stephan Krüger (RG Hansa Hamburg/Frankfurter RG Germania) heute im B-Finale werden, um die Olympia-Qualifikation zu holen. Nach 500 m lag das Duo zunächst auf Rang zwei, zwei Sekunden hinter den Niederlanden. Auf der zweiten Teilstrecke zogen die Neuseeländer gleichauf mit den Deutschen. Bug an Bug ging es auf die zweite Streckenhälfte. Das Feld wurde wieder enger, keiner wollte Letzter werden. Der Endspurt sollte entscheiden. Am Ende wurde es Rang vier für Naske und Krüger. Die Franzosen auf der Außenbahn haben sich auf den letzten Metern noch am deutschen Boot vorbeigeschoben. Für das Olympia-Ticket hat es aber gereicht. „Jeder hat so seine Erwartungen. Wenn ich überlege, wo ich vor ein paar Jahren stand – immer im Finale – und jetzt muss ich hier um die Olympia-Teilnahme kämpfen. Das ist ein ganz anderer Sport. Auf einmal kommen alle aus ihren Löchern, Nationen, die man sonst gar nicht auf dem Schirm hat. Das ist schon krass“, so Stephan Krüger nach dem Rennen.
Platz zehn für den Frauen-Achter
Auch für den Frauen-Achter stand heute das B-Finale auf dem Plan. Krankheitsbedingt musste Trainer Werner Nowak das Boot umbesetzen. Für Charlotte Wesselmann rückte Alexandra Höffgen auf Schlag. Nach dem Start übernahmen die Chinesinnen das Tempo. Bis zur 500-m-Marke konnten sie sich schon eine Länge von Alyssa Meyer, Marie-Sophie Zeidler, Annabel Oertel, Christin Stöhner, Melanie Göldner, Frauke Hundeling, Anna Härtl, Alex Höffgen und Steuerfrau Larina Hillemann (RC Tegel/Donau-Ruder-Club Ingolstadt/RC Potsdam/Olympischer Ruder-Club Rostock von 1956 e.V./RC Potsdam/DRC v. 1884/RC Potsdam/Neusser RV/Lübecker RG) absetzen, die als Vierter auf die zweite Teilstrecke gingen. Während China Wasser zwischen sich und die Konkurrenz legen kann, versucht das deutsche Boot den Anschluss an die drittplatzierten Niederländer zu halten. Doch auch hier müssen sie abreißen lassen. Am Ende wird es Platz vier für das deutsche Boot. Nur die Dänen konnten sie hinter sich lassen. Damit beenden sie die WM auf Rang zehn.
Thiele mit gutem Abschluss
Annekatrin Thiele (SC DHfK Leipzig e.V., Abteilung Rudern) hat das C-Finale gewonnen. Die Leipzigerin kam wie gewohnt schnell aus dem Startblock und übernahm direkt die Führung. Nach 500 m lag sie bereits eine Sekunde vor ihrer engsten Verfolgerin aus Frankreich. Im weiteren Rennverlauf konnte Thiele sich weiter absetzen. Auf Höhe der 1500-m-Marke lag sie mehr als zwei Längen vor der Französin. Diesen Vorsprung ruderte sie souverän ins Ziel und beendet die WM damit als 13. „Das war heute ein guter Abschluss. Schön, dass ich das nochmal zeigen konnte. Es kann halt nicht immer nur bergauf gehen. Jetzt müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen und weiter an uns arbeiten“, so Thiele.
Frauen-Doppelzweier wird 15.
Nach dem Sieg im C/D-Halbfinale konnten Leonie Menzel und Pia Greiten (RC Germania Düsseldorf/Osnabrücker RV) heute noch einmal nachlegen. Innerhalb von einer halben Sekunde überquerten die ersten drei Boote – Polen, Ukraine und Deutschland – die 500-m-Marke. Die Polinnen konnten sich mit einer Länge absetzen, dahinter lieferten sich Deutschland und Großbritannien einen Zweikampf um die Plätze zwei und drei. Trotz eines starken Endspurts gelang es dem Duo aber nicht mehr, an den Britinnen vorbeizuziehen. Sie beenden die WM auf dem 15. Rang. „Auf der Mittelstrecke fehlt es bei uns noch etwas. Wir haben alles versucht und gekämpft. Mehr war jetzt nicht drin. Wir haben auf jeden Fall viel gelernt“, so Trainer Thomas Affeldt über das Abschneiden.
Johannes Schmidt gewinnt C-Finale
Nach dem verpassten B-Finale wollte Johannes Schmidt (Offenbacher RG Undine) heute noch einmal angreifen. Und das ist dem PR1 M1x-Fahrer gut gelungen. Schon auf den ersten 500 m konnte sich der Offenbacher von der Konkurrenz lösen und im weiteren Rennverlauf immer mehr Wasser zwischen sich und die Gegen bringen. Mit mehreren Längen Vorsprung überquert er als Erster vor dem Belgier die Ziellinie.
Holtmeyer hatte sich mehr erhofft
Trotz der drei Medaillen ist der leitenden Bundestrainer nicht so zufrieden mit dem WM-Abschneiden, hatte er doch mindestens acht bis neun Olympia-Qualifikationsplätze als Ziel ausgegeben. „In der Breite waren wir bei dieser WM nicht so gut. Wir hatten natürlich auch viele Ausfälle. Unter anderem fehlte die leistungsstarke Carlotta Nwajide im Doppelzweier. Aber ich hatte schon damit gerechnet, dass sich der Frauen-Zweier ohne und auch der Männer-Vierer ohne qualifizieren können. Beim Vierer ohne hat allerdings der Wind eine große Rolle gespielt. Jetzt müssen wir halt nächstes Jahr in Luzern noch mindestens drei Boote nachqualifizieren“, so Holtmeyer.
Für die Athleten und Trainer geht es jetzt erstmal in den Urlaub. „Nach der Pause werden wir uns im Oktober zusammensetzen und alles analysieren. Wir werden jetzt keine Schnellschlüsse ziehen.“